4. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. 85
Ausnahmen kommen aber vor; insbesondere bei künstlichen Wasser-
straßen kann es geboten sein, den Betrieb oder bestimmte Teile des
Betriebs als Alleinrecht der öffentlichen Gewalt, sei es des Staates, sei es
des beteiligten Selbstverwaltungskörpers, aufzufassen und zu behandeln.
Bei den Eisenbahnen lähßt sich der Betrieb von der Fahrbahn nicht
trennen. Ein freier Wettbewerb der Frachtführer auf der Fahrbahn
selbst würde eine wirtschaftliche und zweckmähige Gestaltung des Be-
triebs ausschließen. Hier erfabt mithin der Beruf der öffentlichen Ge-
walt das Ganze des Verkehrsmittels. Bei dem an den Draht gebundenen
elektrischen Nachrichtenverkehr (Telegraph, Kabel, Fernsprecher) ist die
Herstellung der Leitung und der für ihre Verwendung zum Telegraphieren
oder Sprechen nötigen Einrichtungen und deren Betrieb aus gleichen
Gründen ebenfalls nicht zu trennen; bier wird also die öffentliche Gewalt
zur vollständigen Ubernahme des Verkehrsmittels berufen sein, soweit sie
nicht Erwerbsgesellschaften zuläßt. Das gilt zunächst vom Fernbetriebe
dieser Verkehrsmittel. Den Ortsbetrieb, wie er beim Fernsprecher, in
geringerem Maße beim Telegraphen vorkommt, vom Fernbetriebe zu
trennen, wäre aber so unwirtschaftlich, daß der Staatsbetrieb den Orts-
betrieb mit umfassen muß, wenn er sich überhaupt dem elektrischen
Jachrichtenverkehre widmet. Beim Funkspruchwesen kommt nicht die
Anlage einer Leitung, sondern nur die Schaffung der Gebe- und Emp-
fangsstellen und -vorrichtungen und deren Betrieb in Frage. Bei
der Post handelt es sich nur um die Beschaffung und Unterhaltung der
Fahrzeuge und um die Durchführung des Betriebs; besondere Fahr-
bahnen zur ausschlieblichen Verwertung für die Post bestehen — ab-
geschen von der Rohrpost — ebenfalls nicht. Soweit etwa die öffentliche
Gewalt den Luftverkehr in die Hand nimmt, wozu es vorerst nicht
kommen dürfte, würde es sich ebenfalls nicht um Herstellung besonderer
Fahrbahnen handeln. Vielmehr würde die Anlage von Lande- und
Bergungsplätzen und der Betrieb der Fahrzeuge, unter Umständen auch
ihr Bau in Betracht kommen.
Bei der Post und dem staatlichen Nachrichtenschnellverkehr ist
eine örtliche Verteilung der öffentlichen Aufgaben nicht zulässig; denn
der Betrieb kann seiner Natur nach nicht auf die Bedienung eines
kleineren Landesteils beschränkt werden. Hier ist also Staat oder Reich
die gegebene öffentliche Stelle. Bei Eisenbahnen, Land- und Wasser-
straßen dagegen kommt der Staat nur für die das Staatsganze be-
rührenden Linien in Betracht. Bei anderen Linien, die lediglich oder
doch weitaus überwiegend einem beschränkteren Gebiete dienen, er-
scheinen die nachgeordneten Stufen der öffentlichen Gewalt, die Provinzen
Kreise und Gemeinden, zur Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen
Gewalt berufen, während der Staat für die nötige Einheitlichkeit der
Grundsätze zu sorgen und im übrigen nur ergänzend einzutreten hat.