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besteht in Schatzanweisungen, welche die Finanzverwaltung mit
kurzer Umlaufsfrist ausgibt.
Für die Verwaltung des Staatsschuldenwesens bestehen durch-
weg selbständige Finanzbehörden, in Preußen die Staatsschulden-
verwaltung. Doch auch hier bedarf es einer verfassungsrechtlichen
Kontrolle der gesetzgebenden Körperschaften, ob den Gesetzen gemäß
verwaltet wird. In Preußen wird diese Aufsicht geführt von der
Staatsschuldenkommission, bestehend aus dem Präsidenten der
Oberrechnungskammer und je drei Mitgliedern des Herrenhauses
und des Abgeordneétenhauses.
5* 28. Hufbebung der Gelsetze.
Das Gesetz trägt die formelle Gesetzeskraft in sich, kann
also grundsätzlich nur durch neues Gesetz aufgehoben werden. Dem
Gesetze steht freilich das Gewohnheitsrecht gleich, dem die dero-
gatorische Kraft nicht abgesprochen werden kann. Einer besonderen
Erörterung bedarf nur die teilweise Aufhebung eines Gesetzes.
1. Dispensation ist Befreiung eines einzelnen von der An-
wendbarkeit der im Gesetze enthaltenen allgemeinen Rechtsnorm.
Das Dispensationsrecht hat in der allgemeinen konstitutio-
nellen Geschichte eine große Rolle gespielt. Die englischen Könige
nahmen von jeher eine Dispensationsgewalt für sich in Anspruch.
Nun mißbrauchte aber Jakob II. diese, um die bestehende Rechts-
ordnung in ihr Gegenteil zu verkehren, namentlich unter Dispen-
sation von der Testakte nur noch Katholiken anzustellen. Deshalb
erklärte nach der Revolution von 1688 die Bill of rights „a dis-
Pensing power, as exercised of late“, d. h. nicht überhaupt,
sondern in dem zuletzt geübten mißbräuchlichen Umfange für ver-
fassungswidrig. Ebenso schneiden die romanischen Verfassungen
durchweg alle außerordentlichen Befugnisse des Monarchen ab.
Die deutschen Vll. schweigen meist, und deshalb ist die Frage
nach allgemeinen Gesichtspunkten zu entscheiden. Es sind zwei ver-
schiedene Fälle denkbar.
Das Gesetz läßt die Dispensation ausdrücklich zu. Dann
will das Gesetz Ausnahmen gestatten. Es macht sie aber nicht