Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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Oder das Gesetz schweigt über Zulässigkeit des Privi- 
legiums. Hier würde seine Erteilung Durchbrechung des Gesetzes 
für den einzelnen Fall sein und nach der formellen Gesetzeskraft 
nur in Gesetzesform erfolgen können. 
4. Suspension ist zeit= oder distriktweise Aufhebung eines 
Gesetzes, doch derart, daß nach Ablauf der Suspensionszeit das 
aufgehobene Gesetz von selbst wieder in Kraft tritt. Auch die 
Suspension hat einen doppelten Charakter, je nachdem das Gesetz 
sie zuläßt oder nicht. 
Läßt das Gesetz die Suspension zu, so bildet sie die Durch- 
führung des wahren Willens des Gesetzgebers, also einen Vollzugs- 
akt, der je nach der gesetzlichen Bestimmung im Wege der Regierung 
oder der Verwaltung erfolgen kann. Ein Beispiel dafür bieten 
Art. 111 der preußischen Vll. und das Gesetz vom 4. Juni 1851 
über den Belagerungszustand, wonach im Falle des Krieges oder 
Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit ge- 
wisse grundrechtliche Bestimmungen zeit= und distriktweise außer 
Kraft gesetzt werden können. 
Sieht dagegen das Gesetz eine Suspension nicht vor, so 
handelt es sich um eine zeitweise Durchbrechung des Gesetzes, die 
nur durch ein zeitlich beschränktes neues Gesetz erfolgen kann. 
Dafür bietet, allerdings vom reichsrechtlichen Standpunkte, das 1878 
erlassene, dann mehrfach verlängerte und 1890 durch Zeitablauf 
erloschene Sozialistengesetz ein Beispiel, indem es verschiedene Normen 
des Preßrechts, des Vereins= und Versammlungsrechts, über Frei- 
zügigkeit zeitweise, zum Teil auch nur für bestimmte Bezirke außer 
Kraft setzte. 
5s 29. Verordnungen mit Geletzeskraft. 
Das Gesetz hat die formelle Gesetzeskraft, d. h. Gesetz kann 
nur durch Gesetz abgeändert werden. Nun können aber Notlagen 
des Staates eintreten, in denen sofort entsprechende Maßregeln ge- 
troffen werden müssen, ohne daß man erst den umständlichen Weg 
der Gesetzgebung beschreiten könnte. 
Die Charte constitutionelle Ludwigs X VIII. von 1814 sprach
	        
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