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in Art. 14 dem Könige zu den Erlaß der „réglements et ordon-
nances nécessaires pour Fexécution des lois et la süreté de
IEtat. Indem Karl X. 1830 diese Befugnis zum Erlasse der
Preßordonnanzen benutzte, führte er die Julirevolution herbei.
Die neue Verfassung von 1830 schnitt alle außerordentlichen Voll-
machten des Monarchen ab und nach ihrem Vorbilde die anderen
romanischen Verfassungen. Nun sind freilich dadurch Notlagen
des Staatslebens nicht ausgeschlossen. Hier bleibt nichts anderes
übrig als eine formelle Rechtsverletzung durch Erlaß einer Ver-
ordnung gegen das Gesetz in der Erwartung, daß die Volksver-
tretung die Notlage anerkennen und durch nachträgliche Genehmi-
gung für die Rechtsverletzung Indemnität erteilen werde. Diese
Erwartung täuscht auch regelmäßig nicht, da die Regierung tat-
sächlich nicht dem Monarchen, sondern dem parlamentarischen Mi-
nisterium zusteht, und dieses in der Volksvertretung eine Mehrheit
hinter sich hat.
In Deutschland ist das alte Vertrauensverhältnis zur Mon-
archie unerschüttert geblieben. Es erschien daher um so eher ange-
bracht, in besonderen Notlagen dem Monarchen außerordentliche
Befugnisse zu gewähren, als sonst der formelle Rechtsbruch viel-
fach unausbleiblich ist. Auch kann das Indemnitätsverfahren nur
beim parlamentarischen Systeme, das in Deutschland nicht besteht,
glatt wirken. So gelangte man zu der verfassungsmäßig anerkannten
Zulässigkeit, in Notfällen das Gesetz durch Verordnung wenigstens
vorläufig zu durchbrechen. Es sind damit die Notverordnungen
oder Verordnungen mit Gesetzeskraft als zu Recht bestehende Ein-
richtung begründet.
Die deutschen Landesverfassungen gewähren daher allgemein
dem Landesherrn die Befugnis, unter gewissen Voraussetzungen
Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen (bayr. Pol. St GB.
Art. 9, sächs. VlIl. § 88, württ. Vll. § 89, bad. Vll. § 86, hesfs.
Vll. Art. 73 nebst Gesetz vom 15. Juli 1862). Voraussetzung ist
regelmäßig ein Notstand. Auch darf die Volksvertretung nicht
beisammen sein, da sonst der Weg der Gesetzgebung beschritten
werden könnte. Gegenstand der Notverordnung ist in der Regel
alles, was sonst der Gesetzgebung anheimfällt, nicht aber das for-