Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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teile als unvereinbar erwiesen. Damit löst sich das Begnadigungs- 
recht von seiner geschichtlichen Wurzel, der oberstrichterlichen Ge- 
walt des Landesherrn, und wird zu einer besonderen Art des 
Dispensationsrechts (in Preußen letztes sog. Konfirmationsdekret bei 
einem Todesurteile 1878). 
Dagegen bietet ihrem Inhalte nach die richterliche Gewalt 
keine besondere Richtung der Staatstätigkeit dar. In dem 
Erlasse von Rechtsnormen und von tatsächlichen Anordnungen er- 
schöpfen sich die staatsrechtlichen Typen der staatlichen Wirksamkeit 
überhaupt. Die richterlichen Entscheidungen sind tatsächliche An- 
ordnungen. Wodurch die richterliche Tätigkeit sich aus der anderer 
Staatsorgane heraushebt, ist nur die formelle Seite, die ver- 
fassungsrechtliche Unabhängigkeit gegenüber dem Monarchen, die 
verwaltungsrechtliche gegenüber den Organen der Justizaufsicht und 
die besondere prozeßrechtliche Form unter Anhörung und Mit- 
wirkung der Parteien, worin sich das Verfahren abspielt. 
Das ursprüngliche Gebiet der Rechtsprechung war die An- 
wendung des Privatrechts in der Form des Zivilprozesses, die des 
Strafrechts in der Form des Strafprozesses, dazu einige Ver- 
waltungssachen, die nach geschichtlicher ÜUberlieferung von den Ge- 
richten in richterlicher Unabhängigkeit als freiwillige Gerichtsbar- 
keit erledigt wurden. Die Bezeichnung als Gerichtsbarkeit der 
ordentlichen Gerichte erinnert daran, daß es sich um die ursprüng- 
liche Regel handelt. Doch das Zusammenfallen von Recht und 
Gericht, das bis in das Zeitalter der absoluten Monarchie gedauert 
hat, ist längst verschwunden. Die Rechtsordnung hat sich über 
das Gebiet des Privat-, Straf= und Prozeßrechts, den Forderungen 
des Rechtsstaates entsprechend, ausgedehnt. Und zu der alten 
Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte sind neue Zweige der 
Rechtsprechung, z. B. der Verwaltungsrechtspflege, gekommen. Es 
handelt sich um kein geschlossenes Gebiet, sondern die Zulässigkeit 
des Rechtsweges bedarf der Prüfung im einzelnen Falle. Er- 
fahrungsgemäß dehnt sich im konstitutionellen Staate, wie das Ge- 
biet der Gesetzgebung auf Kosten der freien Regierung, so das der 
Rechtsprechung auf Kosten der freien Verwaltung immer mehr aus.
	        
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