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im alten Reiche, der seit seiner Ständigkeit notwendig zum Gesandten-
kongresse hatte werden müssen.
Man hat den Bundesrat verglichen mit dem Oberhause
einer Volksvertretung, mit einem Bundesministerium und mit
einem Staatsrate. Allerdings hat er mit allen drei Erscheinungen
gewisse Ahnlichkeiten, ohne sich doch mit ihnen zu decken. Der
Bundesrat ersetzt ein Oberhaus, und der parlamentarische Apparat
würde zu schwerfällig werden, wenn wir neben ihm noch ein Ober-
haus hätten. Aber er ist kein Oberhaus, kein Zweig der Volks-
vertretung, deren Mitglieder nach eigener Überzeugung stimmen,
sondern eine Vertretung der Staaten, und seine Mitglieder stim-
men nach Instruktionen. Der Bundesrat ersetzt ein Bundes-
ministerium formell, indem nur seine Mitglieder die Stelle der
Regierung gegenüber dem Reichstage einnehmen, und materiell als
Abschluß der Verwaltungsorganisation nach oben. Doch der Bundes-
rat ist kein Bundesministerium, da er die laufenden Verwaltungs-
geschäfte nicht erledigt. Der Bundesrat ersetzt endlich einen Staats-
rat, der neben ihm überflüssig sein würde. Aber er hat nicht wie ein
Staatsrat bloß begutachtende, sondern beschließende Aufgaben.
Der Bundesrat ist ein Gesandtenkongreß der im Reiche ver-
bundenen Staaten — unbeschadet der Tatsache, daß seit 1911 auch
das Reichsland Elsaß-Lothringen, obwohl nicht Staat und nur im
Sinne der Art. 6 Abs. 2, 7 und 8 M. als Bundesstaat betrach-
tet, im Bundesrate vertreten ist. Er trägt daher zunächst einen
völkerrechtlichen Charakter. Seine Mitglieder, soweit sie nicht Ver-
treter Preußens oder Elsaß-Lothringens sind, haben daher als
Diplomaten Exterritorialität. Die RV. erkennt dies in Art. 10
dahin an, daß es dem Kaiser obliegt, den Mitgliedern des Bundes-
rates den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren — nur die
Vertreter Preußens können in Preußen nicht exterritorial sein,
und Elsaß-Lothringen ist im Sinne des Art. 10 nicht als den
Bundesstaaten gleichstehend erklärt worden. Das Reich ist aber nicht
bloß Vertragsverhältnis unter Staaten, sondern selbst Staat. Es hat
daher verfassungsmäßige Organe und eins von ihnen ist der Bundes-
rat. Ererhebt sich dann über die völkerrechtliche Sphäre zur staatsrecht-
lichen. Der Bundesrat ist ein staatsrechtlicher Gesandtenkongreß.