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Die Reichsverfassung stellt den Bundesrat unter den ver—
fassungsmäßigen Organen an die erste Stelle. Das ist einmal
geschichtlich berechtigt, weil der Bundesrat das älteste ist. Es
entspricht aber auch der Tatsache, daß der Bundesrat als eine
Vertretung der Staaten dem eigentlichen Inhaber der Reichsstaats—
gewalt, den Staaten in ihrer korporativen Vereinigung zum Reiche,
am nächsten steht. Doch wäre es falsch, daraus zu schließen, daß
etwa für die Befugnisse des Bundesrates eine allgemeine Ver-
mutung spräche wie in dem Einzelstaate für den Landesherrn-
Das Reich ist nur durch seine Verfassung zum Staate konstituiert,
und alle Befugnisse seiner Organe müssen auf die Verfassung
zurückgehen. Auch der Bundesrat hat daher keine anderen Be-
sugnisse als die ihm verfassungsmäßig oder gesetzlich übertragenen.
Der Bundesrat ist eine Vertretung der Staaten des Reiches.
Trotzdem ist auch Elsaß-Lothringen, obwohl nicht Staat, seit 1911
im Bundesrate vertreten, solange es seine derzeitige Verfassung hat.
Mit der Vertretung der Staaten als solcher ist aber ein verschieden
abgestuftes Stimmgewicht der Staaten nicht ausgeschlossen. Die
Stimmverteilung knüpft unmittelbar an diejenige im Plenum
des alten Bundestages an. Spurlos untergegangen sind die
Stimmen von Osterreich, Luxemburg-Limburg und Lichtenstein. Für
die (abgesehen von Elsaß-Lothringen) neu hinzugetretenen Gebiete
von Ost= und Westpreußen, Posen und Schleswig sind keine neuen
Stimmen geschaffen worden. Wohl aber hat Preußen die Stimmen
der ihm einverleibten Staaten von Hannover, Kurhessen, Holstein,
Nassau und Frankfurt übernommen, so daß es im ganzen 17 hat.
Außerdem führt, da kraft Akzessionsvertrages 1867 die Verwaltung
des Fürstentums Waldeck auf Preußen übergegangen ist, dieses die
Stimme von Waldeck. Bayern hatte schon in dem 1867 wieder-
hergestellten Zollvereine als Ersatz des freien Veto statt 4 Stimmen
6 im Bundesrate erhalten, und dabei ist es im Reiche verblieben.
Im übrigen haben wie im alten Bunde Sachsen und Württemberg
je 4, Baden und Hessen je 3, Mecklenburg-Schwerin und Braun-
schweig je 2, alle übrigen Bundesstaaten je 1 Stimme (Art. 6 RV.),
endlich hat das Reichsland Elsaß-Lothringen seit 1911 eine Ver-
tretung von drei Stimmen erhalten (Art. GCa RV.).