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Jeder Staat kann so viele Bevollmächtigte ernennen, als er
Stimmen hat. Da es sich jedoch um eine Vertretung nach Staaten
handelt und die Mitglieder des Bundesrates nach den ihnen er-
teilten Instruktionen stimmen, kann die Gesamtheit der Stimmen
jedes Staates nur einheitlich abgegeben werden (Art. 6, RV.).
Die elsaß-lothringischen Bevollmächtigten ernennt und instruiert
der Statthalter, der aber seinerseits vom Kaiser ernannt und ab-
berufen wird (Art. 2 des Ges. vom 31. Mai 1911). Es kommt
auch nicht darauf an, ob alle Bevollmächtigten eines Staates zu-
gegen sind. Ein einziger anwesender Bayer gibt mit seiner Ab-
stimmung die 6 bayrischen Stimmen auf einmal ab. Preußen
ernennt gewöhnlich zu Bundesratsmitgliedern die Chefs der wich-
tigeren Ministerien und, um den Zusammenhang der obersten
Reichsverwaltung mit den gesetzgebenden Körperschaften herzustellen,
die Chefs der obersten Reichsämter. Die Mittelstaaten bestellen
ihre leitenden Minister und, da diese nur zu besonders wichtigen
Angelegenheiten nach Berlin kommen, wird die Stimme gewöhn-
lich geführt von dem Gesandten des betreffenden Staates in Berlin.
Die Kleinstaaten bestellen ihren Staatsminister, der zu wichtigeren
Verhandlungen nach Berlin kommt. Im übrigen ist für die Ab-
stimmungen die Substitution des Vertreters eines anderen Staates
zulässig. Der Kaiser hat den Bundesrat alljährlich zu berufen,
zu vertagen und zu schließen (RV. Art. 12). Der Bundesrat
kann zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichstag, nicht
aber der Reichstag ohne den Bundesrat berufen werden (RV.
Art. 13). Die Berufung des Bundesrates muß erfolgen, wenn
ein Drittel der Stimmen es verlangt (RV. Art. 14). Tatsächlich
sind diese Bestimmungen gegenstandslos, da der Bundesrat ständig
geworden ist und daher Berufung, Vertagung und Schließung
nicht mehr in Frage kommen.
Den Vorsitz im Bundesrate führt der vom Kaiser zu er-
nennende Reichskanzler (Art. 15 RV.). Ursprünglich nur als
preußischer Präsidialgesandter gedacht, ist er jetzt der leitende Reichs-
minister und oberste Reichsbeamte. Er muß aber zum preußischen
Bevollmächtigten ernannt werden, um überhaupt in den Bundes-
rat hinein zu gelangen. Im Falle der Behinderung kann sich