Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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Der Reichskanzler kann aber vertreten werden nach Maßgabe des 
Stellvertretungsgesetzes vom 16. März 1878. Auf Antrag des 
Reichskanzlers kann ein allgemeiner Stellvertreter, ein Vizekanzler, 
bestellt werden. Gleicherweise können aber auch für die Amts- 
zweige, die in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung des 
Reiches sich befinden, die Vorstände der dem Reichskanzler unter- 
geordneten obersten Reichsbehörden mit der Stellvertretung im 
ganzen Umfange oder in einzelnen Teilen ihres Geschäftskreises be- 
auftragt werden. Dies geschieht jetzt regelmäßig schon bei Ernen- 
nung der Staatssekretäre. Der Vertreter überkommt damit die 
Befugnis zur ministeriellen Gegenzeichnung bei Behinderung des 
Reichskanzlers. Dieser kann aber auch während der Dauer der 
Stellvertretung jede Amtshandlung selbst vornehmen. 
Ein besonderes Ministerverantwortlichkeitsgesetz ist für das 
Reich nicht einmal in Aussicht genommen. Trotzdem steht die 
Ministerverantwortlichkeit nicht bloß auf dem Papiere. Sie ist eine 
rechtliche in den Formen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und 
der zivilrechtlichen Haftung. Eine politische dem Reichstage gegen- 
über ist sie nicht in den Formen des parlamentarischen Minister- 
wechsels, wohl aber insofern, als die oberste Reichsverwaltung auf 
fortgesetzte Verständigung mit dem Reichstage angewiesen ist. 
An Ehrenrechten führt der Kaiser zunächst den kaiserlichen 
Titel. Der in der Reichsverfassung von 1849 in Aussicht ge- 
nommene eines Kaisers der Deutschen war unmöglich, weil er von 
der Voraussetzung der Volkssouveränetät ausging. Aber auch 
Kaiser von Deutschland war ausgeschlossen, nicht nur weil der 
Bundesstaat gar nicht Deutschland, sondern Deutsches Reich heißt, 
sondern auch, weil Kaiser von Deutschland den Anspruch auf eine 
landesherrliche Stellung bedeutet hätte. So gelangte man trotz 
heftigen Widerstrebens König Wilhelms I. zu der neutralen Be- 
zeichnung des deutschen Kaisers. Er erstreckt sich auch auf die 
Kaiserin. Dem Kronprinzen und der Kronprinzessin sind ent- 
sprechende Prädikate beigelegt, nicht dagegen den übrigen preu- 
ßischen Prinzen, obgleich sie mit dem Thronfolgerechte in Preußen 
auch das im Reiche haben. Der Kaiser führt ferner das kaiser- 
liche Wappen, namentlich im Siegel, und die kaiserliche Standarte. 
Bornhat, Grundriß des Staatsrechts. 3. Aufl. 11
	        
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