Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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Reichskanzlers oder seines Vertreters gebunden zu sein. Die Ein- 
schränkung liegt hier nicht in Regierungsbefugnissen des Bundes- 
rates, wohl aber für das Landheer in der Kontingentsherrlichkeit 
der Einzelstaaten (vgl. § 47). 
3. Der Kaiser hat das aus dem alten Bunde von Österreich 
überkommene formelle Präsidium. Er hat den Bundesrat und 
den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen 
(RV. Art. 12). Diese Berufung muß alljährlich erfolgen, und es 
kann der Bundesrat zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichs- 
tag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrat berufen werden (RV. 
Art. 13). Aber auch in dieses formelle Präsidium greift der Bundes- 
rat ein. Die Berufung des Bundesrates muß erfolgen, sobald sie 
von einem Drittel der Stimmenzahl verlangt wird (RV. Art. 14). 
Und zur Auflösung des Reichstags bedarf es eines Beschlusses des 
Bundesrates (RV. Art. 24). Die auf den Bundesrat bezüglichen 
Befugnisse sind mit dessen Ständigkeit gegenstandslos geworden. 
Ein weiterer Ausfluß dieses Präsidiums ist es, daß dem vom 
Kaiser ernannten Reichskanzler der Vorsitz im Bundesrate und die 
Leitung der Geschäfte zusteht (RV. Art. 15). 
4. Der Kaiser ist das verfassungsmäßige Haupt der Reichs- 
verwaltung. Es ergibt sich das aus Art. 18. RV., wonach er 
die Reichsbeamten ernennt, für das Reich vereidigen läßt und ihre 
Entlassung verfügt. Alle Behörden und Beamten des Reiches sind 
daher kaiserliche, weil das Reich ihnen nur in dem Koeiser als ver- 
fassungsmäßigem Organe gegenübertritt. Die stete Ausdehnung der 
Reichsverwaltung ist daher wesentlich der kaiserlichen Machtstellung 
zustatten gekommen. Doch die kaiserliche Verwaltung ist nirgends 
der einzelstaatlichen übergeordnet. Soweit eine Kontrolle der letzteren 
bei Ausführrng der Reichsgesetze stattfindet, bildet der Bundesrat 
den Abschluß der Verwaltungsorganisation nach oben. Und für ge- 
wisse Reichsbeamte hat der Bundesrat oder ein Bundesratsausschuß 
das Vorschlagsrecht, der Bundesrat für die Mitglieder des Reichs- 
gerichts und der Reichsanwaltschaft, des Bundesamtes für das 
Heimatwesen, des Reichsversicherungsamtes, ein Bundesratsausschuß 
für die Kontrollbeamten der indirekten Steuern (RV. Art. 36) und 
für die Reichskonsuln (RV. Art. 56).
	        
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