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keit der Rechtspflege bedeuten. Das Reich kann hier sein Recht
der Beaufsichtigung im Interesse der Rechtseinheit nur ausüben,
indem es für sich die oberste Gerichtsbarkeit in Anspruch nimmt.
So wurde schon 1869 im norddeutschen Bunde mit Erklärung
der Wechselordnung und des Handelsgesetzbuchs zu Bundesgesetzen
das Bundesoberhandelsgericht zu Leipzig errichtet. Seit 1879 hat
sich dieses erweitert zum Reichsgerichte für das gesamte Privat-
Straf= und Prozeßrecht. Andere oberste Gerichtshöfe des Reiches
bilden das Bundesamt für das Heimatwesen in Armenstreitsachen,
das Reichsversicherungsamt für Unfall-, Invaliden= und Altersver-
sicherung usw. Auch die Streitfrage, ob Bayern ein Reservatrecht
auf oberste Militärgerichtsbarkeit besaß, war von diesem Standpunkte
zu beurteilen und zu verneinen. Sie ist jetzt erledigt in einem
Vergleiche durch Begründung des Reichsmilitärgerichts mit einem
besonderen bayrischen Senate.
In allen diesen Fällen wahrt die oberste Gerichtsbarkeit des
Reiches dessen Recht zur Beaufsichtigung.
II. Staatsgerichtsbarkeit.
1. Hochverrat und Landesberrat gegen Kaiser und Reich.
Die in Art. 75 RV. vorgesehene Rechtsprechung des Oberappellations-
gerichts in Lübeck ist jetzt gegenstandslos. Nach § 136 Nr. 1 G.
entscheidet das Reichsgericht in erster und letzter Instanz.
2. Staatsgerichtsbarkeit des Bundesrates nach Art. 76 RV.
Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
a) Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten
(Abs. 1). Sind diese Streitigkeiten privatrechtliche, so werden sie
von den zuständigen Gerichten im Wege des Zivilprozesses ent-
schieden. Soweit das nicht zutrifft, werden die Streitigkeiten auf
Anrufen eines Teiles vom Bundesrate erledigt. Diese Erledigung,
kann im Hinwirken auf einen Vergleich, Bestellung eines Gerichts
oder eigener Entscheidung des Bundesrates bestehen. Praktischer
Fall: Streit zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe über des letzteren
Recht, seine bestrittene Thronfolge im Wege der Landesgesetzgebung
zu regeln, 1897.
b) Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Bundesstaates.
(Abs. 2). Solche umfassen nicht nur Rechtsstreitigkeiten zwischen.