Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

— 180 — 
keit der Rechtspflege bedeuten. Das Reich kann hier sein Recht 
der Beaufsichtigung im Interesse der Rechtseinheit nur ausüben, 
indem es für sich die oberste Gerichtsbarkeit in Anspruch nimmt. 
So wurde schon 1869 im norddeutschen Bunde mit Erklärung 
der Wechselordnung und des Handelsgesetzbuchs zu Bundesgesetzen 
das Bundesoberhandelsgericht zu Leipzig errichtet. Seit 1879 hat 
sich dieses erweitert zum Reichsgerichte für das gesamte Privat- 
Straf= und Prozeßrecht. Andere oberste Gerichtshöfe des Reiches 
bilden das Bundesamt für das Heimatwesen in Armenstreitsachen, 
das Reichsversicherungsamt für Unfall-, Invaliden= und Altersver- 
sicherung usw. Auch die Streitfrage, ob Bayern ein Reservatrecht 
auf oberste Militärgerichtsbarkeit besaß, war von diesem Standpunkte 
zu beurteilen und zu verneinen. Sie ist jetzt erledigt in einem 
Vergleiche durch Begründung des Reichsmilitärgerichts mit einem 
besonderen bayrischen Senate. 
In allen diesen Fällen wahrt die oberste Gerichtsbarkeit des 
Reiches dessen Recht zur Beaufsichtigung. 
II. Staatsgerichtsbarkeit. 
1. Hochverrat und Landesberrat gegen Kaiser und Reich. 
Die in Art. 75 RV. vorgesehene Rechtsprechung des Oberappellations- 
gerichts in Lübeck ist jetzt gegenstandslos. Nach § 136 Nr. 1 G. 
entscheidet das Reichsgericht in erster und letzter Instanz. 
2. Staatsgerichtsbarkeit des Bundesrates nach Art. 76 RV. 
Zwei Fälle sind zu unterscheiden: 
a) Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten 
(Abs. 1). Sind diese Streitigkeiten privatrechtliche, so werden sie 
von den zuständigen Gerichten im Wege des Zivilprozesses ent- 
schieden. Soweit das nicht zutrifft, werden die Streitigkeiten auf 
Anrufen eines Teiles vom Bundesrate erledigt. Diese Erledigung, 
kann im Hinwirken auf einen Vergleich, Bestellung eines Gerichts 
oder eigener Entscheidung des Bundesrates bestehen. Praktischer 
Fall: Streit zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe über des letzteren 
Recht, seine bestrittene Thronfolge im Wege der Landesgesetzgebung 
zu regeln, 1897. 
b) Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Bundesstaates. 
(Abs. 2). Solche umfassen nicht nur Rechtsstreitigkeiten zwischen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.