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Reichskanzler gleichzeitig preußischer Ministerpräsident ist, erscheint
als politisch wünschenswert, doch nicht als notwendig. Zeitweise
1873 (Bismarck-Roon) und 1891—1894 (Caprivi-Eulenburg) sind
beide Amter getrennt gewesen. Doch muß der Reichskanzler wegen
der Verbindung des Auswärtigen Amtes mit dem preußischen
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten preußischer Minister
des Auswärtigen und Mitglied des preußischen Staatsministeriums
sein. Er muß überhaupt einen maßgebenden Einfluß auf die preußi-
sche Politik haben und mit ihr einverstanden sein, da der leitende
Reichsbeamte nicht nach Anweisungen des preußischen Ministeriums
im Bundesrat und Reichstag handeln kann, mit denen er nicht
übereinstimmt.
Damit verbietet sich endlich von selbst das parlamentarische
System des Ministerwechsels nach wechselnden Mehrheiten der
Volksvertretung. Denn die obersten Verwaltungen Preußens und
des Reiches müssen in engster Verbindung miteinander stehen.
Preußisches Abgeordnetenhaus und Reichstag haben aber verschiedene
parlamentarische Mehrheiten. Das parlamentarische System würde
wiederum den organischen Zusammenhang der beiden obersten Ver-
waltungen zerreißen und entweder überhaupt die Verwaltung zum
Stillstande bringen oder, da das nicht möglich ist, die eine der
beiden Volksvertretungen zugunsten der anderen mediatisieren.
II. Die Sinzelgebiete der Verwaltung.
*§ 46. Huswärtiges.
Die auswärtige Verwaltung ist zu behandeln von einem
doppelten Gesichtspunkte, dem des Verhältnisses von Reich und
Einzelstaat und dem der auswärtigen Verwaltung des Reiches an
sich. Bei beiden sind die internationalen Organe und die inter-
nationalen Rechtsakte zu erörtern.
I. Verhältnis von Reich und Einzelstaat.
Im Gegensatze zum Entwurfe der Reichsverfassung von 1849
ist dem Einzelstaate die völkerrechtliche Persönlichkeit und auswärtige
Hoheit nicht entzogen, aber doch dem Reiche das unbedingt Not-
wendige gegeben, so daß beide staatliche Organisationen nebenein-
ander eine auswärtige Verwaltung haben.