Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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spizieren, ohne ihnen sonst einen militärischen Befehl erteilen zu 
können. Sie erhalten die Meldungen über Perfonalien. Endlich 
können sie für polizeiliche Zwecke ihre eigenen Truppen verwenden, 
haben also hier ein Recht des militärischen Dienstbefehls, dagegen 
andere Truppen des Reichsheeres, die in ihrem Gebiete disloziert 
sind, nur requirieren (RV. Art. 66). 
Die gewöhnliche Verteilung der Kommandagewalt zwischen Reich 
und Einzelstaat leidet jedoch eine vollständige Umkehrung für Bayern. 
Das bayrische Heer bildet einen in sich geschlossenen Teil des 
Reichsheeres unter der Militärhoheit des Königs von Bayern. 
Die kaiserliche Kommandogewalt greift in Friedenszeiten für Bayern 
überhaupt nicht Platz, also auch nicht das Recht des Kaisers zur 
Ernennung gewisser Offiziere. Der Kaiser hat allerdings ein 
Inspektionsrecht in Friedenszeiten. Da ihm jedoch jede Kommando- 
gewalt fehlt, kann er etwaige Mängel nicht selbst abstellen, sondern 
muß sich darüber mit dem Könige von Bayern ins Vernehmen 
setzen. Die Mobilmachung erfolgt noch auf Veranlassung des 
Kaisers durch den König von Bayern. Erst mit ihrem Beginne 
und für die Dauer des Krieges tritt auch das bayrische Heer unter 
den Befehl des Kaisers. 
Die Militärverwaltung ist Sache des Einzelstaates. Durch 
die Militärkonventionen haben sich jedoch sämtliche Kontingente mit 
Ausnahme derjenigen der drei mittelstaatlichen Königreiche an die 
preußische Militärverwaltung angeschlossen. Damit ist es nicht 
unvereinbar, daß die Militärbehörten in Mecklenburg und Hessen 
als großherzogliche bezeichnet werden. Die Zuständigkeit des 
preußischen Kriegsministeriums erstreckt sich daher über das ganze 
Reich mit Ausnahme von Bayern, Sachsen und Württemberg, und 
unter ihm führen die Intendanturen der einzelnen Armeekorps die 
Verwaltung. Nur Bayern, Sachsen und Württemberg haben ihre 
eigenen Kriegsministerien und mit ihnen eigene Militärverwaltung. 
An diese bestehende Verteilung der Befugnisse knüpft sich nun 
die Streitfrage, ob die in Art. 63 RV. ausgesprochene Einheitlich- 
keit des Heeres eine staatsrechtliche') oder bloß eine militärisch- 
* *) G. Meyer; Zorn; Brockhaus, Das deutsche Heer und die Kontingente 
der Einzelstaaten, Leipzig 1888. 
 
	        
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