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Nach dem Finanzgesetze vom 15. Juli 1909 erhalten von dem
Rohertrage der Erbschaftssteuer das Reich ¾, die Bundesstaaten ¼.
Außerdem wird den Einzelstaaten die Reineinnahme der Brannt-
weinsteuer nach der Kopfzahl der Bevölkerung überwiesen. Auf
letztere Uberweisung haben Bayern, Württemberg und Baden ein
Reservatrecht. Andere Uberweisungssteuern gibt es nicht mehr.
II. Finanzbehörden.
1. Privatwirtschaftliche Einnahmen. Die Verwaltung des
Grundbesitzes erfolgt durch die Behörden, zu deren Dienste er be-
stimmt ist.
Die Behörden für Post und Telegraphie sind später zu er-
örtern (vgl. § 49). Unter dem Reichspostamte steht auch die Ver-
waltung der Reichsdruckerei.
Für die Eisenbahnen besteht das dem Reichskanzler unter-
geordnete Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen,
in Personalunion mit dem preußischen Ministerium der öffentlichen
Arbeiten, darunter die Generaldirektion in Straßburg.
2. Die Verwaltung der Zölle und sonstigen Reichssteuern
ist dagegen Sache des Einzelstaates geblieben. Der Einzelstaat zieht
nicht nur die betreffenden Steuern, er tritt auch allein dem einzelnen
Steuerpflichtigen gegenüber als Steuergläubiger auf. Der Einzel-
staat hat nur die Verpflichtung, den Nettoertrag der Stenern nach
Abzug der Verwaltungskosten, deren Höhe von Reichs wegen ein-
heitlich bestimmt ist, an die Reichskasse abzuliefern.
Das Reich muß jedoch eine Kontrolle über die Verwaltung
seiner Steuern haben. Die Aufsicht war im Zollverein eine
wechselseitige der Vereinsstaaten untereinander. An deren Stelle
ist jetzt die kaiserliche Aufsicht getreten. Der Kaiser überwacht die
Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch Reichsbeamte, die er
den Zoll- und Steuerämtern und den Direktivbehörden der ein-
zelnen Staaten nach Vernehmung des Bundesratsausschusses für
Zoll= und Steuerwesen zuordnet. Wie aber die keaiserliche Ver-
waltung nirgends der einzelstaatlichen übergeordnet ist, so kann
sie auch hier Mängel nicht selbst abstellen. Anzeigen über Mängel
sind vielmehr dem Bundesrate zur Beschlußfassung vorzulegen.
(RV. Art. 30).