Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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An Stelle der Zustimmung des Reichstags konnte für sog. Landes- 
gesetze seit dem Gesetze vom 2. Juni 1877 die des 1874 im Ver- 
ordnungswege errichteten Landesausschusses treten. Das Gesetz 
vom 4. Juli 1879 brachte eine weitere Umgestaltung unter 
Verlegung der Regierung nach Straßburg. Die abschließende 
Gestaltung wurde endlich bewirkt durch das Verfassungsgesetz vom 
31. Mai 1911 nebst Wahlgesetz für die zweite Kammer. 
I. Verfassung. 
Inhaber der Staatsgewalt ist das Reich. Dieses kann aber 
nur handeln durch seine verfassungsmäßigen 
1. Organe. Als solche kommen Bundesrat, Kaiser und Reichs- 
tag in Betracht. Doch ist die Reihenfolge hier eine andere: Kaiser, 
Bundesrat und Reichstag. Auch kommt zum Kaiser die Extra- 
vagante des Statthalters, zum Reichstage die des Landtages. 
a) Kaiser. Er ist an die Spitze zu stellen, da wie schon das 
Vereinigungsgesetz, so auch das Verfassungsgesetz ihm die Aus- 
übung der Staatsgewalt schlechthin beilegt, für die Zuständigkeit 
des Kaisers also die Vermutung spricht. Doch ist der Kaiser nicht 
besonderer Landesherr von Elsaß-Lothringen, sondern die Aus- 
übung der Staatsgewalt bildet einen Bestandteil seiner kaiserlichen 
Befugnisse. Nur im Ergebnisse erhält er damit im Reichslande 
dieselben Rechte wie ein deutscher Landesherr, weshalb sogar die 
Gesetzgebung von landesherrlichen Befugnissen spricht. Die kaiser- 
lichen Rechte sind Ausfluß des Präsidiums und daher gebunden 
an die ministerielle Gegenzeichnung früher des Reichskanzlers, seit 
1879 des Statthalters. 
Ein Statthalter mit dem Sitze in Straßburg muß vom 
Kaiser unter Gegenzeichnung des Reichskanzler ernannt werden. 
Der Kaiser kann ihn ebenso jederzeit wieder abberufen. Seine 
Befugnisse sind dreifach. 
Er ist der verantwortliche Provinzialminister des Reiches 
für Elsaß-Lothringen in allen außerhalb der gemeingültigen Zu- 
ständigkeit des Reiches liegenden Angelegenheiten. Ihm liegt da- 
her die Gegenzeichnung der betreffenden kaiserlichen Anordnungen 
ob. Der Grundsatz, daß der Reichskanzler einziger Reichsminister 
ist, wird hier insofern durchbrochen, als der Statthalter dem
	        
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