Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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II. Der Staat ist Volkssouveränetät. 
Nach Abstoßung oder Vernichtung der geschichtlichen Monarchie 
ist nur das Volk übrig geblieben. Es wird daher naturgemäß 
Quelle aller staatlichen Gewalt. Unter dem Einflusse naturrecht- 
licher Lehren vom Vertragsstaate konstituiert sich das Volk durch 
die Verfassung zum Staate und überträgt die einzelnen Gewalten 
auf verschiedene Träger. Je nach dem Charakter des Trägers 
der Exekutivgewalt ergeben sich dabei drei verschiedene Formen. 
1. Parlamentarische Mona chie. 
Vorbildlich war England, wo sich in den Kämpfen der eng- 
lischen Revolution die parlamentarische Monarchie ohne ein neues 
geschriebenes Verfassungsreget und unter Überkleidung des Rechts- 
bruches mit juristischen Fiktionen entwickelt hatte. Auf dieser 
Grundlage stellen Locke und Montesquien die Lehre von der Teilung 
der Gewalten auf, die notwendig die Volkssouveränetät zur Voraus- 
setzung haben mußte. Die klare verfassungsmäßige Feststellung 
erfolgt dann in den romanischen Staaten. 
Das Volk überträgt in der Verfassung die einzelnen Staats- 
funktionen verschiedenen Trägern, die Gesetzgebung der Volks- 
vertretung, der gegenüber sich das positive Gesetzgebungsrecht des 
Monarchen zu einem bloßen Veto abschwächt, die Rechtsprechung 
unabhängigen Gerichten, die Exekutive dem Monarchen unter 
ministerieller Verantwortlichkeit. 
Der Monarch, von Parlamentes oder Volkes Gnaden, wenn 
auch erblich berufen, vereinigt hier nicht mehr in sich alle Rechte 
der Staatsgewalt. Er ist nur eines von mehreren Organen 
des mit dem Volke sich deckenden Staates. Die Verfassung ist nicht 
von ihm ausgegangen, sondern er regiert kraft der Verfassung. 
Er hat daher nur die Rechte, die ihm Verfassung oder besondere 
Gesetze ausdrücklich beilegen. 
Formell sind die Träger der drei Gewalten einander gleich- 
geordnet. Tatsächlich ist in der unmittelbaren Vertretung des 
souveränen Volkes, der Wahlkammer des Parlaments, die oberste 
Gewalt enthalten. Der Monarch hat daher politisch die Gleich- 
berechtigung mit den beiden anderen Gewalten nicht behaupten 
können. Vermöge des parlamentarischen Systems ist er an Aus-
	        
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