Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

— 26 — 
man die Krücke der Hausgesetze nicht mehr. Wohl aber sind ihre 
Bestimmungen über Thronfolgerecht und Thronfolgeordnung, zum 
Teil in die Verfassungsurkunden übernommen, geltendes Recht ge- 
blieben. 
Der moderne Staat hat ferner die dem Patrimonialstaate 
eigentümliche Durchdringung und Zersetzung aller öffentlichen Ver- 
hältnisse durch das Privatrecht beseitigt und damit auch die Thron- 
folge zu einer rein staatsrechtlichen Einrichtung ausgebildet. 
Während die Staatsrechtslehre noch bis über die Mitte des 19. Jahr- 
hunderts die Thronfolge aus dem Privatrechte oder wenigstens mit 
privatrechtlichen Analogien erklärte, ist sie jetzt rein öffentlichrecht- 
lich zu erfassen. 
Das Wesen der Thronfolge ergibt sich aus dem der erblichen 
Monarchie. Nach dem monarchischen Prinzipe sind alle Rechte der 
Staatsgewalt in der Person des Monarchen verkörpert derart, daß 
jedes staatliche Recht und jede staatliche Pflicht in letzter Linie 
zurückgeht auf die physische Person des Monarchen. Dadurch setzt 
sich aber das monarchische Prinzip in Widerspruch mit der Un- 
vollkommenheit menschlichen Lebens, mit seiner kurzen Dauer. Ge- 
wiß sind auch die Staaten nicht unsterblich. Doch ihre Lebens- 
dauer bemißt sich nach Jahrhunderten, ja nach Jahrtausenden, 
während dem menschlichen Leben eine kürzere Zeitspanne gesetzt ist. 
Es muß also ein Mittel geben, die längere Lebensdauer des 
Staates in Übereinstimmung zu bringen mit der kürzeren des 
Monarchen, in dem sich der Staat verkörpert. Das geschieht durch 
die Thronfolge. 
Die Thronfolge bedeutet daher das Recht des Regierungs- 
nachfolgers, die Staatspersönlichkeit des Regierungsvorgängers fort- 
zusetzen. Vorgänger und Nachfolger sind nur als physische Men- 
schen verschieden, staatsrechtlich sind sie eine und dieselbe Staats- 
persönlichkeit des Monarchen. Die alte französische Monarchie 
hatte dafür, indem sie das politische Wesen des Staates weit früher 
und entschiedener ergriff als der deutsche Patrimonialstaat, das 
treffende Rechtssprichwort: „Le roi est mort, vive le roi.“ Der 
König als physischer Mensch ist der menschlichen Sterblichkeit unter- 
worfen und ist wirklich gestorben, der König als Staatspersönlich-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.