Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

— 27 — 
keit stirbt nicht, es sei denn mit dem Staate, der sich in ihm ver— 
körpert. 
Mit der staatsrechtlichen Auffassung der Thronfolge erledigen 
sich auch die Streitfragen, die bis in die neueste Zeit die staats— 
rechtlichen Handbücher erfüllten. 
Hierher gehört die Frage der Haftung des Regierungsnach- 
folgers für die Handlungen des Regierungsvorgängers. Solange 
man Land und Leute als ererbtes Familiengut betrachtete, das 
landesherrliche Haus als Obereigentümer, den jeweiligen Landes- 
herren als Untereigentümer und Nießbraucher, durfte der Landes- 
herr am Staate als dem Familiengute ohne Zustimmung der 
Agnaten keine wesentlichen Veränderungen vornehmen, oder der 
Regierungsnachfolger war nicht daran gebunden. Von diesem 
Standpunkte aus beging 1837 König Ernst August von Hannover 
seinen berüchtigten Verfassungsbruch, indem er die von seinem 
Vorgänger erlassene Verfassungsurkunde außer Kraft setzte. Für 
die Gegenwart ist die Frage erledigt. Regierungsvorgänger und 
Regierungsnachfolger bilden eine und dieselbe staatsrechtliche Per- 
sönlichkeit des Monarchen. Der Nachfolger ist also an die Hand- 
lungen seines Vorgängers genau ebenso gebunden, als wenn es 
seine eigenen wären, und kann sie nur unter denselben Voraus- 
setzungen und in denselben Formen außer Kraft setzen wie seine 
eigenen. 
Eine zweite Frage ist die der Sonderung der Staatsvber- 
lassenschaft von der Privatverlassenschaft. Auch sie ist nur 
möglich bei Auffassung der Thronfolge als eines Erbrechts. Das 
gemeine Recht wandte hier die Grundsätze des lombardischen Lehn- 
rechts über die Trennung des Lehns vom Allode an. Bei der 
staatsrechtlichen Auffassung der Thronfolge gibt es keine Staats- 
verlassenschaft, sondern nur einen UÜbergang der monarchischen 
Staatspersönlichkeit von einem Menschen auf den andern. Es 
kann tatsächlich im einzelnen Falle zweifelhaft sein, ob eine Sache 
dem Staate gehört oder dem Könige als Privatmann. Das ist 
aber während seines Lebens ebensowohl möglich wie im Falle 
der Thronfolge. Eine Sonderung von zwei verschiedenen Ver- 
lassenschaften findet nicht statt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.