Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

— 36 — 
als zulässig anerkannt. Für Deutschland kommt jedoch die Volks- 
souveränetät nicht in Frage. 
Bedeutungsvoller war für Deutschland die patrimoniale Auf- 
fassung des Staates als ererbten Familienbesitzes, dessen Ober- 
eigentümer die Familie und dessen Untereigentümer und Nutz- 
nießer der jeweilige Landesherr ist. Hier haben die Agnaten in 
ihrer Gesamtheit eine dem Landesherrn übergeordnete Gewalt und 
können ihn wegen Mißwirtschaft entsetzen. Das ist Jahrhunderte 
hindurch in Deutschland Rechtens gewesen. So haben die öster- 
reichischen Erzherzöge Rudolf II. abgesetzt. Nach der Verjagung 
Karls von Braunschweig (1830) forderte auf Preußens Antrag 
der Bundestag gegen Osterreich und die Minderheit die welfischen 
Agnaten zum Einschreiten auf. Sie haben dann den Herzog Karl 
abgesetzt, und sein Bruder bestieg als Herzog den Thron. Und noch 
vor 1866 drohte Bismarck dem Kurfürsten von Hessen, er werde 
sich mit dessen Agnaten in Verbindung setzen. Mit dem Patri- 
monialstaate ist auch die Obergewalt der Agnaten über den Herr- 
scher verschwunden. 1 
In dem unverantwortlichen Monarchen verkörpert sich die höchste 
Staatsgewalt. Es gibt keine höhere Macht über ihm, die ihn zur 
Verantwortung ziehen könnte. Damit ist auch eine Absetzung des 
Monarchen in den Formen des Rechts ausgeschlossen. 
§* 11. Kegentschaft und Regierungestellvertretung. 
Der stark privatrechtliche Zug der deutschen Landeshoheit zur 
Zeit des Patrimonialstaates ließ auch die Vertretung des be- 
hinderten Landesherrn unter dem privatrechtlichen Gesichtspunkte 
der Vormundschaft oder des Auftrages erscheinen. Erst der mo- 
derne Staat hat auch hier die Fesseln des Privatrechts abgestreift 
und die Vertretung zu einer rein öffentlichrechtlichen gestaltet. Damit 
sind auch die alten Namen eines Regierungsvormundes oder einer 
vormundschaftlichen Regierung hinfällig geworden. 
1. Die Regentschaft ist gesetzliche Vertretung eines Hand- 
lungsunfähigen. Sie hat zur Voraussetzung die volle staatsrecht- 
liche Handlungsunfähigkeit des Herrschers. Diese ist einmal
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.