Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

dürfnisses auch noch die Berufung zu einer außerordentlichen 
Sitzung zulässig. 
An die Berufung schließt sich die feierliche Eröffnung an in 
einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern entweder durch den 
Landesherrn persönlich oder durch einen von ihm beauftragten 
Minister. Während in den parlamentarischen Staaten der Monarch 
sich zu diesem Zwecke in das Haus der Volksvertretung begibt, 
läßt in Deutschland der Landesherr die Mitglieder des Landtags 
zu sich kommen. 
Der Landesherr allein kann auch die Volksvertretung ver- 
tagen. Die Vertagung unterbricht die Sitzungen und macht 
während der Vertagungszeit jede parlamentarische Tätigkeit un- 
möglich. Doch nach Ablauf der Vertagung werden die parla- 
mentarischen Arbeiten von selbst und in der Lage wieder aufge- 
nommen, in der sie sich vorher befanden. Die Vertagung ist nicht 
zu verwechseln mit der bloß tatsächlichen autonomen Unterbrechung 
der Sitzungen durch das Haus selbst, z. B. wegen Weihnachten, 
wodurch die parlamentarische Tätigkeit nicht rechtlich unmöglich 
gemacht wird, also die Kommissionen weiter arbeiten können. Bei 
dem Zweikammersysteme kann sich auch die Vertagung nur auf 
beide Kammern gleichzeitig erstrecken. In Preußen und anderen 
Staaten darf die Vertagung ohne Zustimmung der Kammern die 
Frist von dreißig Tagen nicht übersteigen und in derselben Session 
nicht wiederholt werden. Eine solche längere Vertagung bietet 
namentlich die Möglichkeit, parlamentarische Vorarbeiten nicht unter 
den Tisch fallen zu lassen, sondern ihre Verwertung für das nächste 
Jahr zu ermöglichen. 
Der Monarch allein kann endlich auch den Landtag schließen. 
Die Schließung beendet jede parlamentarische Tätigkeit und nötigt 
die Volksvertretung, bei ihrem Wiederzusammentritte jede Vorlage, 
die in der vorigen Session nicht beendet war und wieder einge- 
bracht wird, geschäftlich als eine völlig neue zu behandeln. Nach dem 
Zweikammersysteme kann sich auch die Schließung nur auf beide 
Kammern gleichzeitig erstrecken. Die Form der Schließung ist die 
Verlesung der landesherrlichen Verordnung durch einen beauf- 
tragten Minister in einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern
	        
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