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Die Beschlußfassung erfolgt mit Stimmenmehrheit. Für
Verfassungsänderungen wird vielfach eine verstärkte Mehrheit er—
fordert (vgl. 8 2), ist jedoch in Preußen nicht erforderlich.
Als unselbständiges Staatsorgan wirkt die Volksvertretung
regelmäßig mit bei Erlaß von Staatsakten, die von anderer Seite
ausgehen. Je nach dem zeitlichen Verhältnisse von Erlaß und
Beschlußfassung ist letztere Zustimmung oder Genehmigung.
Zustimmung ist Einwilligung zu einem Staatsakte, der erst in
Zukunft erlassen werden soll, z. B. zu einem Gesetze. Bei der
Genehmigung ist der Staatsakt bereits vorläufig erlassen, und die
Volksvertretung willigt nachträglich ein, z. B. bei einer Notverord-
nung. Das erstere Verhältnis bildet die Regel, das letztere die
Ausnahme.
b) Vereinigung beider Häuser in einer Versammlung.
Sie findet statt bei gewissen Formalakten, bei denen die Volksver-
tretung nur passive Assistenz leistet, wie Eröffnung und Schließung,
Eidesleistung des Monarchen und des Regenten. Eine Beratung
und Beschlußfassung erfolgt nur über die Notwendigkeit der Regent-
schaft und bei Wahl des Regenten.
c) Recht der Adresse. Jede Kammer hat, was die Verfas-
sungen meist ausdrücklich verbürgen, das Recht, Adressen an den
Monarchen zu richten. Recht der Adresse ist nichts anderes als
das Recht, einen Brief zu schreiben und abzusenden. Das ist kein
subjektives Recht, sondern allgemeine Befähigung jedes schreibens-
kundigen Menschen. Daher kann auch die Volksvertretung und jede
Kammer von ihr an den Monarchen einen Brief senden.
Das Recht der Adresse ist überhaupt nur politisch zu ver-
stehen. Indem die Volksvertretung sich über die Köpfe der Minister
mit dem Monarchen unmittelbar in Verbindung setzt, macht sie ein
politisches Kampfmittel geltend. Sie ringt um das parlamenta-
rische System wie das preußische Abgeordnetenhaus in der Kon-
fliktszeit.
Nachdem der Kampf um das parlamentarische System erledigt
ist, hat das Recht der Adresse auch politisch seine Bedeutung ver-
loren. Während die Volksvertretung früher die beste Zeit mit
der Adreßdebatte zur Beantwortung der Thronrede vertrödelte,