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kommen jetzt Adressen nur noch in ganz seltenen Fällen, z. B. bei
einem Regierungswechsel, vor und sind ohne politische Tragweite.
d) Recht der Interpellation. Es ist auch in den Ver-
fassungsurkunden regelmäßig ausdrücklich gewährleistet. Inter-
pellationsrecht ist nichts anderes als die angeborene Befähigung
jedes Menschen, jeden anderen nach allen möglichen und unmög-
lichen Dingen zu fragen, also durchaus kein subjektives Recht.
Auch die Volksvertretung hat diese Befähigung gegenüber den
Ministern.
Das Interpellationsrecht ist gleichfalls nur politisch zu ver-
stehen. Es bildet im parlamentarischen Staate mit der sich an
die Interpellation anschließenden Beschlußfassung ein Mittel, das
Ministerium zu stürzen. Wir haben das parlamentarische System
nicht. Deshalb kann eine Interpellation auch nie diese Folgen
haben. Die Geschäftsordnungen schließen sogar ausdrücklich die Be-
schlußfassung aus. Nachdem die Interpellation gestellt und begründet
ist, der Minister sie beantwortet oder die Beantwortung abgelehnt
hat, kann in eine Besprechung eingetreten werden. Diese verläuft
aber schließlich im Sande. Derzeit bildet die Interpellation nur
ein Mittel der Volksvertretung, sich über schwebende Fragen aus-
zusprechen und der Regierung die gleiche Gelegenheit zu geben.
Es kommen daher sogar von der Regierung veranlaßte Inter-
pellationen vor.
e) Recht der Enquete. Jedes Haus hat das Recht, zu seiner
Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu
ernennen. Das Engueterecht hat in England eine große Bedeutung,
wo es dem Parlamente die Befugnis gibt, über den Kopf des
Ministeriums hinweg durch Vernehmung von Zeugen und Sach-
verständigen oder anderweitig tatsächliches Material festzustellen.
Bei uns wird der allgemeine Grundsatz, daß die Volksvertretung
und ihre Kommissionen nur mit der Regierung in Verbindung
treten dürfen, auch zugunsten einer Enquetekommission nicht durch-
brochen. Daher hat eine solche keine andere Bedeutung wie jede
andere Kommission, und ihre Einsetzung ist überflüssig. Das Recht
der Enquete hat daher überhaupt keine praktische Bedeutung.
Bornhak, Grundriß des Staatsrechts. 3. Aufl. 6