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V. Kapitel Die staatlichen Funktionen.
I. Die Regierung.
5 22. Begriff der Regierung.
Die konstitutionelle Lehre geht aus von der Teilung der
Gewalten, wie sie zuerst Locke in seinen Two treatises of govern-
ment vertreten, Montesquien in seinem Esprit des Lois und
dessen berühmtem Kapitel XII,6, De la constitution d'’Angleterre dem
Kontinente vermittelt hat. Verschiedene Richtungen der Staats-
tätigkeit hatte man schon seit Aristoteles unterschieden. Das Neue,
was die Lehre von der Teilung der Gewalten hinzutut, ist, daß
im Interesse der politischen Freiheit jede staatliche Funktion einen
besonderen, von den Inhabern der anderen Funktionen verschiedenen
Träger haben muß. Die Gesetzgebung soll zustehen der Volksver-
tretung, der gegenüber sich das positive Gesetzgebungsrecht des
Monarchen zu einem bloßen Veto abschwächt, die Exekutive dem
Monarchen, die Rechtsprechung unabhängigen Gerichten. Die Exe-
kutive oder vollziehende Gewalt ist daher formell das dem Monarchen
zustehende Recht, materiell die Ausführung der Gesetze, soweit solche
nicht durch die Gerichte im Wege der Rechtsprechung erfolgt.
Die Lehre von der Teilung der Gewalten erfuhr auf deutschem-
Boden zunächst nach der formellen Seite eine Veränderung.
Denn alle Rechte der Staatsgewalt blieben hier in der Person des
Monarchen vereinigt, und es handelte sich nur um eine verfassungs-
mäßige Beschränkung des Monarchen bei der Ausübung gewisser
Rechte, der Gesetzgebung nach vorheriger Zustimmung der Volks-
vertretung, der Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte. Nicht,
daß das Recht dem Monarchen zustand, konnte hier das Wesentliche
der Exekutive oder vollziehenden Gewalt sein, sondern daß er be-
sonderen Beschränkungen der Ausübung auf diesem Gebiete nicht
unterworfen war, nur der allgemeinen Schranke, der Notwendigkeit
der ministeriellen Gegenzeichnung, soweit diese besteht.
Aber auch materiell, dem Inhalte nach erfuhr die Lehre von
der Teilung der Gewalten und damit der Begriff der Exekutive in