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konnte jedoch erst nach Fortfall des Staatskanzleramts zur vollen
Bedeutung gelangen.
Es besteht aus den Chefs der neun Staatsministerien, der
Minister des königlichen Hauses ist also nicht Mitglied. Außer-
dem können Minister ohne Portefeuille ernannt werden. Im In-
eresse des Zusammenhanges der obersten Reichsverwaltung mit der
preußischen ist es Sitte, die Chefs der wichtigsten Reichsämter zu
preußischen Staatsministern und Mitgliedern des Staatsministeriums
zu ernennen. Vorsitzender des Staatsministeriums war anfangs
der Staatskanzler. Seit Fortfall des Staatskanzleramts wird einer
der Staatsminister zum Ministerpräsidenten ernannt und dadurch
mit dem Vorsitze im Kollegium betraut. Auch kann ein Staats-
minister zum Vizepräsidenten bestellt werden. Politisch wünschens-
wert und die Regel ist es, daß der Reichskanzler und Minister der
Auswärtigen gleichzeitig preußischer Ministerpräsident ist. Versam-
melt sich das Staatsministerium zu wichtigeren Beratungen unter
dem Vorsitze des Königs, so heißt es Kronrat.
Das Staatsministerium ist zuständig für wichtigere Verwal-
tungsangelegenheiten, bei denen die Interessen von mehr als einem
Ressort beteiligt sind, ist auch vorgesetzte Behörde für einzelne andere
Behörden, wie Kompetenzgerichtshof, Disziplinarhof, Oberverwal=
tungsgericht, Ansiedelungskommission und Displinargericht zweiter
Instanz für die unmittelbaren nichtrichterlichen Beamten. Mit
Rücksicht auf diese Tätigkeit sind dem Staatsministerium ein Unter-
staatssekretär und vortragende Räte beigegeben.
3. Das Kabinett war ursprünglich die persönliche Schreibhilfe
des Königs und gewann erst Bedeutung, seit unter Friedrich dem
Großen die Regierung durch schriftliche Anweisungen an die Minister
üblich wurde, besonders aber seit 1786. Die Versuche des Kabi-
netts, gegenüber den Ministern selbständig Politik zu treiben, ver-
mehrten damals noch die Reibungen. Die derzeitige Organisation
des Kabinetts beruht auf der Verordnung von 27. Oktober 1810,
ist aber beeinflußt durch die verfassungsrechtliche Stellung der
Minister.
Das Kabinett zerfällt in das Zivilkabinett unter einem Ge-
heimen Kabinettsrate und das Militärkabinett, das nach dem