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Kreises hervorging. Erst in neuerer Zeit ist meist der alte an—
gesessene Landrat verschwunden und das Amt reines Berufsamt
geworden. Doch ist dem Kreistage das Recht geblieben, geeignete
Personen, die die Befähigung zum höheren Justiz= oder Ver-
waltungsdienste besitzen oder dem Kreise durch Grundbesitz oder
Wohnsitz angehören und sich im Vorbereitungsdienste als Referen-
dar oder in der Selbstverwaltung bewährt haben, dem Könige zur
Ernennung vorzuschlagen. In Posen besteht dies Recht nicht. In
gewissen standesherrlichen Gebieten Sachsens und der westlichen
Provinzen ist auch der Standesherr vorher zu hören.
Der Landrat muß in Behinderungsfällen vertreten werden.
Für kürzere Zeit, jedoch nicht im Kreisausschusse, kann dies durch
den Kreissekretär geschehen. Außerdem wählt jeder Kreistag unter
Bestätigung des Oberpräsidenten zwei Kreisdeputierte im Ehren-
amte, eine Einrichtung, die zur Zeit Friedrichs des Großen aus
der schlesischen Fürstentumsverfassung in die Kreisverfassung über-
gegangen ist, zur Vertretung des Landrates. Endlich kann die
Regierung auch einen Berufsbeamten, einen Regierungsassessor,
mit der Vertretung beauftragen. Überhaupt ist jetzt meist dem
Landrate ein Regierungsassessor als Hilfsarbeiter beigegeben.
Die Kreisorgane wirken in der Weise zusammen, daß der
Kreistag über die kommunalen Angelegenheiten beschließt, der Kreis-
ausschuß diese Beschlüsse vorbereitet und ausführt, und endlich der
Landrat die laufenden Geschäfte erledigt.
Was Gegenstand der Kommunalverwaltung des Kreises ist,
wird nicht erschöpfend gesetzlich bestimmt. Einige Aufgaben sind
dem Kreise gesetzlich auferlegt, anderes kann er freiwillig in den
Kreis seiner Verwaltung ziehen.
Die Verwaltung ist zu führen aus den eigenen Mitteln des
Kreises. Grundvermögen, das Einnahmen abwürfe, ist dabei sehr
wenig vorhanden. Wohl aber beziehen die Kreise nach Maßgabe
der Dotationsgesetze vom 30. April 1873 und 8. Juli 1875 wie
nach Sondergesetzen für bestimmte Zwecke Dotationen aus der
Staatskasse. Endlich sind auch die Kreise nach dem Kreis= und
Provinzialabgabengesetze vom 23. April 1906, das sich an das
Kommunalabgabengesetz anschließt, auf Steuern angewiesen. Der