§ 18 Sonstige ungeschriebene Rechtsquellen. 103
gesprochener Rechtsgrundsatz aus dem vorhandenen entwickelt. Der
durch Analogie gefundene Rechtssatz ist aber weiterhin nicht allgemein
verpflichtender Natur. Der Richter oder überhaupt der das Recht An-
wendende entscheidet allerdings nach dem durch Analogie gefundenen
Rechtssatze den ihm vorliegenden Fall. Sobald derselbe Rechtsfall aber
wieder zur Entscheidung kommt, kann eine andere, ja dieselbe Person
aus demselben positiven Rechtssatze im Wege der Analogie etwas
ganz anderes folgern. Es stehen sich dann einfach verschiedene wissen-
schaftliche Ansichten entgegen, ohne daß eine von ihnen allgemein ver-
pflichtendes Recht schaffen könnte.
Wenn nun vollends ein Fall nicht nach der Analogie, sondern
auf dem einfachen Wege der Folgerung aus einer Rechtsnorm ent-
schieden wird, so schafft der das Recht Anwendende nicht einmal eine
neue Rechtsfassung. Die wissenschaftliche Interpretation im allgemeinen
und die Analogie insbesondere begründen daher nicht neues Recht,
sondern wenden nur das bestehende Recht an. Sie sind demnach nicht
als Quelle des Rechtes zu betrachten).
II. Das gemeine deutsche Staatsrecht. Das Staatsrecht der
einzelnen deutschen Staaten beruhte bis in die neuere Zeit zum Teil
auf Rechtsnormen, die aus der Reichsgesetzgebung und dem Reichs-
herkommen erwachsen und deshalb für ganz Deutschland dieselben
waren, soweit nicht das Partikularrecht etwas anderes bestimmte. Es
gab also ein gemeines deutsches Staatsrecht, welches subsidiär in allen
deutschen Staaten zur Anwendung zu kommen hatte und deshalb dazu
diente, Lücken des partikularen Staatsrechtes in den einzelnen Ge-
bieten zu ersetzen. Die Auflösung des Reiches hob zwar die Mög-
lichkeit einer Fortbildung dieses gemeinen Rechtes auf dem Wege der
Reichsgesetzgebung auf. Dagegen beseitigte sie das gemeine Recht als
solches nicht. Dieses blieb sogar nach wie vor einer gewohnheits-
rechtlichen Fortbildung fähig. Wenn die rheinische Bundesakte Art. 2
alle deutschen Reichsgesetze für nichtig und unwirksam erklärte in
Ansehung der Bundesgenossen, ihrer Staaten und Untertanen, so
konnte sich dies nur auf die Rechtsnormen beziehen, welche die ehe-
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4) Für die Analogie als Rechtsquelle im Staatsrechte sprechen
sich besonders die oben N. 1 zitierten Schriftsteller aus. Dagegen
erkennt schon Pözl, Lehrbuch des bayerischen Verfassungsrechts, 4. Aufl.,
S. 27, an, die Analogie bilde nur ein Mittel, um aus schon vorhau-
denen Quellen Rechtssätze zu gewinnen.