Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 18 Sonstige ungeschriebene Rechtsquellen. 107 
sophie bietet die französische des 18. Jahrhunderts, welche die poli— 
tischen Forderungen der Bourgeoisie vertritt. 
Bisweilen kämpfen aber auch die Anhänger und die Gegner des 
Bestehenden mit philosophischen Waffen, indem sie beide die reine 
Vernunftmäßigkeit ihrer Ansichten für sich beanspruchen. Die englische 
Rechtsphilosophie des 17. Jahrhunderts verteidigt daher sowohl den 
königlichen Absolutismus wie die Volksfreiheit als allein auf der 
Vernunft beruhend. 
Ist nun die Rechtsphilosophie und das philosophische Staats- 
recht kein abstraktes Erzeugnis, welches unmittelbar aus den höchsten 
Vernunftprinzipien gewonnen ist, sondern bedingt durch Ort und Zeit, 
so kann jedenfalls ein rechtsphilosophisches System, welches einem 
anderen Staate als dem unfrigen oder einer anderen Zeit als der 
Jetztzeit angehört, für unser positives Staatsrecht nicht von der 
Zgeringsten Bedentung sein. 
Insbesondere kann das allgemeine Staatsrecht der konstitutionellen 
Monarchie nicht zur Ergänzung von Lücken des preußischen Staats- 
rechtes dienen). Dieses sogenannte allgemeine konstitutionelle Staats- 
recht ist entstanden in den Staaten Westeuropas, die unter dem Ein- 
drucke wiederholter Dynastiewechsel und der dadurch bedingten tat- 
sächlichen oder rechtlichen Anerkennung des Prinzips der Volkssouve- 
ränetät ihre staatlichen Verhältnisse ganz anders gestalteten, als dies 
in Preußen, einer Schöpfung seines eigenen Königtums, möglich ist. 
Begreiflich ist es, daß man nach gesetzlicher Rezeption des konstitu- 
tionellen Verfassungsrechtes in der Uebergangszeit auch weiter west- 
zuropäischem Vorbilde folgen zu müssen glaubte. Allein gegenüber 
diesen Versuchen hat der deutsche Staat, Preußen insbesondere in der 
Konfliktszeit, seine Individnalität behauptet. 
Aber auch ein innerhalb unseres Staates in der Jegtztzeit ent- 
standenes philosophisches System, welches den Anspruch erhebt, das 
bestehende Recht als vernunftwidrig umzugestalten, dient nicht zu dessen 
Ergänzung,). Man würde anderenfalls anerkennen müssen, daß das 
positive Recht als vernunftwidrig seine Berechtigung verloren hat, 
— 
  
7) Dies will z. B. v. Rönne, Pr. St.-R. (4. Aufl.), Bd. 1, S. 86, 
anders Zorn. 
8) Als ein Beispiel für eine derartige Rechtsphilosophie kann man 
die sozialistischen Theorien der Gegenwart anführen.
	        
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