108 Allgemeine Lehren. 8 19
und genötigt sein, das philosophische Staatsrecht nicht mehr zur Er-
gänzung des positiven Rechts, sondern zu dessen Ersetzung zu benutzen.
Es bliebe damit nur noch ein rechtsphilosophisches System, welches,
auf dem positiven preußischen Staatsrechte der Jetztzeit sußend, dieses
aus der Vernunft zu begründen sucht und für das allein vernunft-
gemäße hält. Selbst wenn ein derartiger Bersuch auf dem Gebiete
der Rechtsphilosophie gegenwärtig gemacht werden sollte, was nach dem
angenblicklichen Stande der Wissenschaft schwerlich anzunehmen ist, so
würde doch die abstrakte Form der Bearbeitung des positiven Rechtes
keinen besonderen Wert verleihen. Es würde sich nur um eine wissen-
schaftliche Behandlung des positiven preußischen Staatsrechtes handeln,
die ihren Wert oder Unwert in sich selbst trägt, aber auf Anerkennung
als Rechtsquelle niemals Anspruch erheben kann.
Das philosophische oder allgemeine Staatsrecht, soweit ein solches
überhaupt noch besteht, kann daher unter Umständen den Wert einer
wissenschaftlichen Bearbeitung und Begründung des positiven Rechtes
oder auch den eines Wegweisers für den Gesetzgeber haben, einen
höheren hat es dagegen niemals. Es ist keine unmittelbar aus der
Vernunft geschöpfte Lehre, welche zu allen Zeiten und an allen Orten
in Ermangelung positiver Bestimmungen Anspruch auf Geltung hätte,
da es eine von Raum und Zeit losgelöste abstrakte menschliche Ver-
nunfttätigkeit nicht gibt. Das philosophische oder allgemeine Staats-
recht kann somit auch nicht als subsidiäre Quelle des positiven Rechtes
betrachtet werden.
Kap. III. Duellensammlungen und Literatur.
8§ 19. Quellenusammlungent).
J. Gesetzbücher.
1. Das Allgemeine Landrecht. Es bildet eine Kodifikation des
materiellen Rechts seiner Zeit überhaupt und ist daher auch nach In-
krafttreten des BGB. und seiner Nebengesetze für das öffentliche Recht
1) Berücksichtigt sind hier nur solche Quellensammlungen, welche
für das positive Staatsrecht der Gegenwart noch in Betracht kommen.
Ueber die Quellensammlungen für die frühere Zeit vgl. Bornhak,
Geschichte des preußischen Verwaltungsrechtes, Bd. 3, S. 327 ff.