Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 21 Geschichtliche Entwicklung des preußischen Königtums. 127 
der Landeshoheit als der Summe einzelner Hoheitsrechte blieb jedoch 
bis zur Zeit des Großen Kurfürsten unberührt. Er tat die ersten 
Schritte, die überkommene Landeshoheit in die Machtfülle der souve- 
ränen Staatsgewalt zu verwandeln. Vollständig gelang dies in 
Preußen, welches sich bisher in einem noch stärkeren Abhängigkeits- 
verhältnisse zu Polen befunden hatte wie die übrigen Gebiete zum 
Reiche. Für Preußen wurde die Souveränetät des Kurfürsten rechtlich 
anerkannt. Aber auch in den übrigen Landesteilen wurde tatsächlich in 
stetem Kampfe mit den Ständen der überlieferte Kreis landesherrlicher 
Rechte in eine volle Staatsgewalt umgewandelt, ohne daß das zer- 
fallende Reich hiergegen Einspruch erhoben hätte. Aus zahlreichen 
Gebieten im Norden Deutschlands von der Memel bis zur Maas 
schufen der Große Kurfürst und seine beiden Nachfolger, die Könige 
Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I., einen neuen Staat. 
Wenn sonst Entstehung und Rechtsgrund des Staates zweifelhaft 
sein kann, so liegt bei dem preußischen Staate beides offen. Nicht 
das Volk hat den preußischen Staat geschaffen, sondern die Herrscher 
in jahrzehntelangem Kampfe mit dem ständisch zerrissenen Volke der 
einzelnen Gebiete. Die Herrscher stellten im Gegensatze zu Reich und 
Ständen das einheitliche Staatsgebiet her. Sie haben überhaupt erst 
ein preußisches Volk begründet, indem sie zuerst die Bewohner der 
einzelnen Gebiete zu einem einheitlichen Volke verschmolzen und dem- 
nächst die in diesem Volke noch fortbestehende ständische Gliederung 
vernichteten. Zuerst war der Herrscher vorhanden, er schuf sich Staats- 
gebiet und Volk, die vorher nicht bestanden, und damit den Staat. 
Aus dieser Entwicklung des preußischen Königtums erklärt es sich, 
5 in der ersten Zeit nach Begründung des neuen Staates der 
König nicht nur ein ausschließliches Herrschaftsrecht für sich in An- 
spruch nahm, sondern auch in der Ausübung der Herrschaft keine 
selbständige Teilnahme der Staatsangehörigen zuließ. Solange das 
einheitliche preußische Volk noch nicht geschaffen war, konnte es keinen 
Anteil am Staate beanspruchen und, selbst nachdem es einen recht- 
lichen Bestand erlangt hatte, mußte es sich im Laufe mehrerer Menschen- 
alter erst in die neuen staatlichen Verhältnisse eingewöhnen. Die am 
Ende des 18. Jahrhunderts zustande gekommene große Kodifikation 
des Allgemeinen Landrechtes steht daher noch vollständig auf dem 
Boden des absoluten Staates. 
daß
	        
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