128 Das Verfassungsrecht. 8 21
Allerdings ist der besonders staatsrechtliche Teil des Landrechtes,
der 13. Titel des zweiten Teils, eine fast wörtliche Uebersetzung aus
Christian Wolffs Naturrecht"). Im Gegensatze zu der geschicht-
lichen Entwicklung des preußischen Staates geht Wolff aus von der
Begründung des Staates durch Vertrag. Anders als Rousseau
nimmt aber Wolff an, daß der Mensch sich seiner Freiheit ent-
äußern, und demnach auch ein ganzes Volk alle Rechte der Gesamt-
heit dauernd einem einzigen und seinen Nachfolgern übertragen könne,
ohne daß das Volk für sich irgend welches eigene Recht zurückbehielte!).
Bei der Ausführung seiner Lehre im einzelnen zieht er daher keine
weiteren Folgerungen aus dem Urvertrage, sondern entnimmt wie
alle Rechtsphilosophen seine Grundsäte aus den damaligen staatlichen
Zuständen vorzugsweise des preußischen Staates. Während die Ver-
tragslehre, obwohl selbst von Friedrich dem Grosen theoretisch ver-
treten, der ganzen geschichtlichen Eutwicklung Preußens widersprach,
standen alle übrigen staatsrechtlichen Ansichten Wolffs, lediglich ent-
lehnt aus dem positiven Rechtszustande Preußzeus, mil ihr in voller
Uebereinstimmung, konnten also ohne weiteres in das preußische
Gesetzbuch übergehen. An die Stelle der Wolfsschen Vertragslehre
als Ausgangspunkt setzt daher das A. L.-R. II, 13 §5. 1 sofort den
allein der geschichtlichen Entwicklung entsprechenden Satz: „Alle Rechte
und Pflichten des Staates gegen seine Bürger und Schutverwandten
vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben.“ Damit ist, wie man
sich auch die weiter zurückliegenden Vorgänge der Staatsbildung denken
mag, jedenfalls für die Praxis des Staatslebens das Aufgehen der
Staatspersönlichkeit und ihrer Rechte in der Person des Monarchen
ausgesprochen.
Hieran schließt sich in Uebereinstimmung mit Wolff die Auf-
stellung der Staatszwecke, Erhaltung der äußeren und inneren Ruhe
und Sicherheit und Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt. Charak—
teristischer Weise werden aber diese Aufgaben im A. L.-R. zur Aus-
schließung jedes Zweifels für Pflichten des Staatsoberhauptes erklärt.
Alle Rechte und Vorzüge, welche zur Erreichung dieser Zwecke ersor-
derlich sind, gebühren dem Staatsoberhaupte. In der Mitte des
3) Vgl. Gr. (lle Wollf, lnslitutioncs juris nalmac ei Lemiim. Hale
Magelchurgicae 1750, S. 507 ff.
4) A. a. O. S. 607.