§ 21 Eeschichtliche Entwicklung des preußischen Königtums. 129
18. Jahrhunderts war jedoch die Entwicklung der Landeshoheit, welche
nur eine Anzahl einzelner Rechte umfaßte, zu der Fülle der modernen
Staatsgewalt noch nicht vollendet. Wolff hatte daher noch geglaubt,
die Rechte des Staates durch ihre Aufzählung erschöpfen zu können.
Als Rechte des Staates werden nun aber der Gleichstellung von Staat
und Herrscher entsprechend nur diejenigen aufgezählt, welche dem
Herrscher zustanden, nicht aber die, welche sich nach damaligem Staats-
rechte im Besitze von Untertanen befinden konnten. Bei dem Fort-
bestehen der utsherrlichen Gerichtsbarkeit und Polizei gehören daher
beide nicht zu den sogenannten Majestätsrechten. Trotzdem nun auch
das A. L.N. II, 13 88 6 ff. die Rechte des Staatsoberhauptes, fast
wörtlich mit Wolff übereinstimmend, im einzelnen aufzählt, sagt es
och nirgends, daß der Herrscher nur diese RNechte haben solle. Die
Aufzählung, wenn auch an den früheren Begriff der Landeshoheit sich
anlehnend, widerspricht daher doch keineswegs der neueren Auffassung,
welche dem Staate nicht einzelne Befugnisse, sondern einen Inbegriff
bahlloser Rechte zuschreibt. Es ist also die Aufzählung der Majestäts-
rechte nicht erschöpfend, sondern nur Exemplifikation.
Das preußische Staatsrecht entnahm aus der Wolffschen Ph'i#o-
sophie nur das, was Wolff selbst aus den positiven Rechtszuständen
Preußens geschöpft hatte, schwieg aber über alle rein philosophischen
edankengänge, insbesondere über die Lehre vom Vertragsstaate und
von der damit untrennbar verbundenen Volkssouveränetät. Bei den
Vorträgen der Schlußrevision des A. L.-R. konnte daher Spvarez mit
Recht sagen, der Tit. 13, Teil II A. L.-R. enthalte, da das römische
Recht nur mit Modifikationen oder gar nicht anwendbar sei, allgemeine
Landesgesetz aber fehlten, lediglich eine Abstraktion aus Begriffen
und aus der bisherigen Verfassung?). Die Rechtsphilosophie hatte
keine weitere Einwirkung, als daß sie dem Gesetzgeber die juristische
Fassung für die vorhandenen Rechtszustände lieferteg).
Wenngleich die preußische Gesetggebung in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts das Verhältnis zum Reiche nur noch vereinzelt
berührt und Preußen als einen vollständig souveränen Staat be-
.
5) v. Kamptz, Jahrbücher, Bd. 41, S. 149 ff.
6) Die weitere Ausführung über den Einfluß der Rechtsphilosophie
auf die preußische Gesetzgebung enthält mein Vortrag: „Staatsrechtliche
Theorie und Praxis im friderizianischen Staate“ im 29. Jahresberichte
der Juristischen Gesellschaft zu Berlin.
Bornbak, preuhlschee Staaterecht. Il. 2. Aunl. 9