Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

E Staatsrechtliche Stellung des Königtums. 131 
vk B. die Bezeichnung „Staatsbürger“ für Untertan, lassen aber 
die Sache im wesentlichen unberührt. 
Eine weitere Beschränkung nicht nur in der Ausübung, sondern 
in dem Umfange der Staatsgewalt selbst hat das preußische König- 
tum erfahren durch die Begründung des Deutschen Reiches, vermöge 
deren zahlreiche Hoheitsrechte von den Einzelstaaten auf das Reich 
übergingen. Was jedoch Preußen hierdurch auf der einen Seite ver- 
loren hat, hat es auf der anderen gewonnen nicht nur durch seine 
Anteilnahme an der Reichsregierung im Bundesrate, sondern vor 
allem dadurch, daß das deutsche Kaisertum untrennbar mit dem 
preußischen Königtume verbunden ist. Gleichwohl hat die Staatsrechts- 
lehre beide Elemente, die politisch gar nicht getreunt voneinander 
gedacht werden können, zu sondern. Das preußische Staatsrecht hat 
lich daher mit dem deutschen Kaisertume nicht weiter zu beschäftigen, 
sondern dessen Behandlung dem Reichsstaatsrechte zu überlassen. 
§ 22. Staatsrechtliche Stellung des Königtumst). 
Die preußische Verfassungsurkunde hat nicht gleich anderen 
neueren Verfassungsurkunden die Stellung des Königtums im allge- 
meinen festgestellt, sondern gibt nur eine Reihe einzelner Bestim- 
mungen über die Befugnisse des Königs und über die Voraussetzungen 
und die Formen der Ausübung seiner Regierung. Iusbesondere hat 
die preußische Verfassungsurkunde den aus der Volkssouveränetät ab- 
geleiteten Hauptgrundsatz der belgischen Verfassung nicht ausgenommen, 
daß dem Könige nur die ihm formell durch die Verfassungsurkunde 
oder besondere Gesetze übertragenen Rechte zustehen2). 
—. 
wv Vol. Klüber 88 238 ff.; Zachariä 8§8 22, 68; Zöpfl 
60 ff.; v. Gerber 88 25 ff.; G. Meyer 8 84; H. Schulze, D. 
N., Bd. 1, S. 185; v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 204 ff.; 
Schulte Pr. St.-N., Vd. 1, S. 149 ff.; v. Stengel, Pr. St.-N. 
2) Constitution belge art. 78: „Le roi n'a d’'autres pouvoirs duc ceux 
ate lui attribuent formellement la constitution et les lois particuliè#•s 
Portées en vertu de la conslitution memc.“ Auf diesen Hauptunterschieb 
des parlamentarischen und des konstitutionell-monarchischen Staatsrechtes 
hat zuerst Fürst Bismarck aufmerksam gemacht. Vgl. dessen RNede 
im Abgeordnetenhause vom 3. Februar 1866. Sten. Ver. Bd. 1, S. 58 ff. 
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