Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

6 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 82 
bald durch zahlreiche kleine geistliche Gebiete durchbrochen war, über 
die dem Markgrafen nur die Oberaufsicht, die oberste Gerichtsbarkeit 
und ein Schutzrecht zustand. 
Weiterhin machte sich auch der Einfluß des weltlichen Grund- 
besitzes auf den Staal in zwiefacher Weise geltend. Die alte Auf- 
fassung, daß das einheitliche Fahnenlehen, das Reichsamt, nicht ge- 
teilt werden dürfe (Sachsenspiegel III Art. 53 8§ 3), verschwindet, 
seit mit dem Untergange der Hohenstaufen keine sichtbare oberste 
Staatsgewalt mehr vorhanden war, der gegenüber man sich verpflichtet 
fühlte. So gewöhnten sich die deutschen Landesherren, ihre Würde 
nicht mehr als ein Amt des Reiches, sondern als ein ererbtes, dem 
Reiche nur lehnbares Familiengut zu betrachten. Hatte sich dieser 
privatrechtliche Gesichtspunkt, zu dem das Ueberwiegen der sozialen 
Auffassung des Besitzes über die politische des Amtes führt, erst ein- 
mal geltend gemacht, so war die natürliche Folge, daß für die Ver- 
erbung der Markgrafschaft die Regeln des Privatrechts Anwendung 
fanden. So begannen denn auch in der Mark die zahllosen Landes- 
teilungen. 
Eine weitere Folge von ihnen war es, daß die bisher reichen 
markgräflichen Einkünfte für die zahlreichen Hofhaltungen nicht mehr 
ausreichten. Man kam deshalb auf den Ausweg, bei der unzureichen- 
den Rente das Kapital anzugreifen, d. h. die landesherrlichen Rechte, 
aus denen die Einkünfte flossen, zu veräußern. Die Mittel, diese 
Rechte zu erwerben, hatten aber nur die Großgrundbesitzer, die Ritter- 
schaft, und die städtischen Gemeinden, welche sich zu solchen eigent- 
lich erst durch den Erwerb bisher landesherrlicher Befugnisse heraus- 
bilden. In dem Laufe mehrerer Menschenalter werden daher die 
unmittelbaren landesherrlichen Regierungsrechte über den größten Teil 
des Landes an Städte und Rittergutsbesitzer veräußert. Die Städte 
erwerben den Zins von den städtischen Grundstücken, die Marktgebäude 
und Zölle, endlich eigene städtische Gerichtsbarkeit und Polizei, somit 
eine vollständige Selbstregierung, bisweilen auch die landesherrlichen 
Regierungsrechte über die umliegenden Dörfer. Dagegen gehen auf 
dem flachen Lande die Zinsleistungen der Bauern, ihre Hand= und 
Spanndienste im Interesse des Kriegsdienstes und die Lehusherrlich- 
keit über die Schulzengüter auf die Rittergutsbesitzer über, welche 
die militärischen Dienste, von denen sie keinen Gebrauch machen 
konnten, in Dienste zur Bestellung des gutsherrlichen Ackers ver-
	        
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