z 22 Staatsrechtliche Stellung des Königtums. 137
Anerkennung erfahren durch die verfassungsmäßig ausgesprochene Un—
verantwortlichkeit des Königs.
An sich steht nichts im Wege, daß der König gleichzeitig Herrscher
eines fremden Reiches ist. Wie der König die staatsrechtliche und
privatrechtliche Persönlichkeit in sich vereinigt, wie das preußische
Königtum untrennbar mit dem deutschen Kaisertume verbunden ist, so
kann der König auch mehrere Staatspersönlichkeiten in sich tragen.
Aus politischen Gründen, um einen der preußischen Monarchie nach—
teiligen Interessenstreit zu vermeiden, bestimmt jedoch der Art. 55
der Verfassungsurkunde, daß der König ohne Einwilligung beider
Häuser des Landtages nicht Herrscher fremder Reiche sein darf. Es
fragt sich, welcher Begriff hier mit der Bezeichnung eines fremden
Reiches zu verbinden ist. Daß ein fremdes Reich nicht dasselbe ist
wie ein anderer Staat überhaupt, ergibt sich schon daraus, daß der
Kommissionsentwurf der Nationalversammlung Art. 40 statt der Worte
„fremder Reiche“ die „eines anderen Staates“ enthielt. Wenn die
oktroyierte Verfassungsurkunde, Art. 53, statt dieses völlig klaren und
unzweideutigen Ausdruckes die jetzige Fassung gab, so wollte sie damit
zweifellos etwas anderes sagen als der Kommissionsentwurf. Daß
man damals, wo man ein einheitliches Deutsches Reich begründen
wollte, deutsche Staaten nicht als fremde bezeichnen konnte, erscheint
selbstverständlich. Fremde Reiche können somit nur außerdeutsche sein.
Das Wort Reich bezeichnet aber immer einen bedeutenderen Staat,
nicht jedes kleine Fürstentum ist ein Reich. Die Grenze zwischen einem
Reiche und einem anderen Staate läßt sich jedoch nicht nach rein
logischen Gesichtspunkten feststellen, es ist dies eine Frage des konkreten
Falles. Unter fremden Reichen sind daher nur größere nichtdeutsche
Staaten zu verstehen. Die Frage kam zur praktischen Erörterung, als
60 der König die Regierung des Herzogtums Lauenburg erworben
hatte, ohne es dem preußischen Staatsgebiete einzuverleiben. Wenn
das Abgeordnetenhaus in vollem Widerspruche mit dem Sprach-
Vebrauche den Versuch machte, Lauenburg unter den Begriff der frem-
en Reiche zu bringen?), so war dies nur ein Verlegenheitsmittel,
da man keine anderen Gründe finden konnteto).
5) Vgl. Sten. Ber. des Abgeordnetenhauses 1866, Bd. 1, S. 58 ff.,
Sitzung vom 3. Februar 1866, insbesondere die Rede des damaligen
rafen Bismarck.
10) Ueber den wahren Grund der Unzulässigkeit einer Personalunion
zwischen Preußen und Lauenburg siehe §8 39.