§23 Formelle Regierung, insbesond. Ministerverantwortlichkeit. 139
so vereinigt die Beschränkung der königlichen Willenserklärung an
verfassungsmäßige Formen die Objektivität des Rechts mit der Sub—
jektivität der Staatspersönlichkeit. Die verfassungsmäßigen Formen
für den Ausdruck des königlichen Willens sind keine Eigentümlich-
keit der konstitutionellen Monarchie, sie waren auch vor Erlaß der
Verfassungsurkunde vorhandens), wenn auch die einzelnen Förmlich-
keiten vielsach andere geworden sind. In welcher Weise jede einzelne
Funktion der Staatsgewalt sich gesetzmäßig vollzieht, welche Erforder-
nisse und Voraussetzungen für jeden einzelnen Staatsakt notwendig
sind, muß an einer anderen Stelle erörtert werden"). Hier kann es
sich nur darum handeln, welche Förmlichkeiten bei allen und jeden
Willenserklärungen des Königs zu beobachten sind. Diese Förmlich-
keiten bestehen in der ministeriellen Gegenzeichnung der königlichen
Regierungsakte. Die rechtliche Folge dieser Gegenzeichnung ist nach
Art. 44 der Verfassungsurkunde die, daß der gegenzeichnende Minister
dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.
Wenn auch schon im älteren deutschen Rechte Anklagen fürstlicher
Räte durch die Stände und Verurteilungen wegen verfassungswidriger
Handlungsweise vorkamen,), so besteht doch zwischen diesen Fällen und
der heutigen Ministerverantwortlichkeit keinerlei Rechtszusammenhang.
on maßgebendem Einflusse ist vielmehr für diese Lehre das parlamen-
tarische Staatsrecht der westeuropäischen Staaten und die konstitutionelle
Lehre der französischen Rechtsphilosophie geworden. Das englische
Staatsrecht, welches ausgeht von der Unverletzlichkeit und demgemäß von
der Unverantwortlichkeit des Königs, spricht, um diese zu rechtfertigen,
he Praesumtio iuris et de iure aus: The king cannot d0 wrong. Da
diese Präsumtion aber nicht nur mit dem menschlichen Charakter
Aberhaupt, sondern auch mit der ganzen englischen Geschichte im
Viderspruche steht, machte man die Rechtsgültigkeit jedes vom Könige
vorgenommenen Staatsaktes abhängig von der Gegenzeichnung der
lasse 9. Es ist hier nur zu erinnern an die Förmlichkeiten beim Er-
St er Gesetze, Vorberatung in der Gesetzkommission und später im
aatsrate, sowie gehörige Verkündigung, die Notwendigkeit der Gegen-
geichnung von Regierungsakten durch die Minister, die Formen der
lechtsprechung und dergleichen mehr.
8) Vgl. 88 70 ff.
wä ) Bal. einige Veispiele dieser Art aus Sachsen und Mürttemberg
vährend des 17. und 18. Jahrhunderts bei Hauke a. a. O. S. 56, N. 1.