Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

142 Das Verfassungsrecht. 8 23 
in der rechtlichen Unmöglichkeit, Unrecht zu tun, da jeder Willens— 
akt des Staates Recht ist. 
Vorausgesetzt ist dabei natürlich, daß es sich wirklich um einen 
Willensakt des Staates handelt, daß insbesondere die für einen solchen 
vorgeschriebenen wesentlichen Formen beobachtet sind. Ist dies nicht 
der Fall, so handelt es sich gar nicht um einen Willensakt des Königs 
als Staatspersönlichkeit, sondern als Privatmann. Als solcher kann 
der König nicht nur Unrecht tun, sondern auch seine gleichzeitige 
staatsrechtliche Stellung zu diesem Zwecke mißbrauchen. Dieses Unrecht 
kann nun in der Person des Königs nicht geahndet werden wegen 
seiner Unverletzlichkeitto). 
Welches Mittel soll es nun geben, um den König zu zwingen, 
trotz seiner absoluten Unverletzlichkeit steto innerhalb der gesehlichen 
Schranken, d. h. als König zu handeln. Die Verfassungsurkunde 
glaubt es gefunden zu haben durch die Bestimmung des Art. 44: 
„Die Minister des Königs sind verantwortlich. Alle Regierungsakte 
des Königs bedlürfen zu ihrer Gültigkeit die Gegenzeichnung eines 
Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.“ Zu- 
nächst muß also jeder Regierungsalt des Königs, um als solcher zu 
gelten, von einem Minister gegengezeichnet sein. Nicht gegengezeichnete 
Erlasse sind vollkommen nichtig, sie sind ebenso wirkungslos, als wenn 
sie gar nicht gegeben wären. Anders mit den gegengezeichneten Regie- 
rungsakten. Diese haben wenigstens die eine äußerliche Form, welche 
allen Regierungsakten wesentlich ist. Gleichwohl können bei ihnen 
andere, nur für gewisse Staatsakte, z. B. Gesetze, nolwendige Formen 
nicht beobachtet und dadurch die gesetzlichen Schranken verletzt sein. 
Dann sind die betreffenden Akte trotz der ministeriellen Gegenzeichnung 
gesetzwidrig. Auch hier handelte der König bei ihrem Erlasse nicht als 
König, sondern als Privatmann. Die Minister sind nur dem Könige 
Gehorsam schuldig. Indem sie den gesetzwidrigen Erlaß gegenzeichneten, 
gehorchten sie nicht einem königlichen Befehle, sondern beteiligten sich 
an der gesetzwidrigen Handlung eines Privatmannes. Insofern ist 
die Auffassung zutreffend, daß der Minister verantwortlich wird, weil 
die gesetzwidrige Handlung auch seine Handlung ist. 
Die Notwendigkeit der ministeriellen Gegenzeichnung und der 
dadurch begründeten Ministerverantwortlichkeit unterliegt jedoch ge- 
wissen Beschränkungen. 
10) Vgl. 8 22.
	        
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