144 Das Verfassungsrecht. 9.24
hat seine Entlassung zu fordern, wenn er die politische Verantworlung
nicht mehr tragen kannty).
§ 24. Die Ministerverantwortlichkeit des gegenwärtigen
preußischen Rechtes.
Der Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit ergibt sich daraus,
daß der Minister wie jeder andere Beamte für seine rechtswidrigen
Handlungen verantwortlich ist. Eine Rechtswidrigkeit hat aber immer
ein Verschulden zur Voraussetzung. Dieses Verschulden ersordert eine
Ahndung. Letztere kann strafrechtlicher oder disziplinarer Natur sein
oder auch beides zugleich. Es könnte sich nur fragen, ob das nach
zahlreichen Verfassungsurkunden, u. a. auch der preußjschen, bestehende,
besondere durch Anklage der Volksverlretung eingeleitele Strafverfahren
bei Amtsvergehen der Minister strafrechtlichen oder disziplinaren
Charakters ist. Da jeder Beamte für Amtsvergehen sowohl einer
strafrechtlichen wie disziplinaren Verfolgung unterliegt, die Minister-
verantwortlichkeit an sich aber keinen anderen Charakter hat als die
Haftbarkeit aller übrigen Beamten, so ist es zweifellos, daß sich aus
dem Wesen der Ministerverantwortlichkeit selbst nichts dafür ergibt,
ob das besondere Verfahren gegen Minister strafrechtlich oder diszil-
plinar ist. Diese Frage lann nur entschieden werden nach dem posi-
tiven Rechte jedes einzelnen Staates. Das Vorbild anderer Staaten
kann also in diesem Falle nicht von maßgebendem Einflusse sein.
In England hat, da die politische Verantwortlichkeit sich gegen-
wärtig allein durch den Ministerwechsel verwirklicht, die Minister-
verantwortlichkeit einen rein strafrechtlichen Charakter. Die Bestrafung
des Ministers wegen gesetzwidriger Handlungen hat aber seine Ent-
sernung vom Amte zur unmittelbaren Folget).
Die nordamerikanische Verfassung hat jedoch der Minisleranklage
einen disziplinaren Charakter gegeben, die einzige Strafe, auf die
erkannt werden kann, ist die Entfernung vom Amter). Neben der
13) Diese Ausführungen bilden das Gegenteil von dem, was in der
1. Aufl. stand.
1) Vgl. 8 23 N. ö.
2) Vgl. Art. II Sekt. 4 der Bundesverfassung: „Der Präsident,
Vizepräsident und alle Zivilbeamten der Vereinigten Staaten sollen ihres