Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

150 Das Verfassungsrecht. 824 
Erfüllung des Art. 61 der preußischen Verfassungsurkunde unzulässig. 
Allerdings wärc die Festsetzung einer besonderen disziplinaren Ver- 
antwortlichkeit der Minister durch preußisches Landesgesetz nach dem 
Vorbilde der meisten anderen deutschen Staaten denkbar. Aber es 
ist zu leugnen, daß ein solches Gesetz die Erfüllung des Art. 61 wäre, 
der vielmehr die strafrechtliche Verantwortlichkeit sordert. Ueberdies 
würde eine solche disziplinare Verantwortlichkeit neben der in voller 
Wirksamkeit stehenden Verantwortlichkeit nach gemeinem Strafrechte 
politisch zwecklos sein. 
In betreff der Begnadigung eines wegen seiner Amtohandlungen 
verurteilten Ministers enthält unn Art. 39 Abs. 2# der Verfassungs 
urkunde noch die Bestimmung, daß der König dieses Begnadigungs# 
recht nur auf Antrag desjenigen der beiden Häuser des Landtages 
ausüben dars, von welchem die Anklage ausgegangen ist. Diese 
Bestimmung bedarf nun, um ins Leben zu treten, allerdings nicht 
des Erlasses eines besonderen Gesetzes über die Ministerveranlwortlich: 
leit. Auch das Reichsrecht hat sie unberührt gelassen, da es nur 
das Begnadigungsrecht des Kaisers regelt (§ 481 Str.-Pr.-O.). Da- 
gegen ist die Voraussetzung, unter der ein verurteilter Minister be- 
gnuadigt werden kann, hinsällig geworden. Wenn nur auf Antrag 
des Hauses, von dem die Anklage ausgegangen ist, die Begnadigung 
erfolgen darf, so ist dabei das besondere, durch Art. 61 der Ver- 
fassungsurkunde vorgesehene Verfahren, in dem der Beschluß eines 
der beiden Häuser des Landtages die Anklage bildet, vorausgesetzt. 
Ein solches Verfahren besteht jedoch nicht, die Anklage kann nie von 
einem der beiden Häuser des Landtages, sondern nur von der Staats- 
anwaltschaft ausgehen. Da demnach der Beguadigungsantrag des 
Hauses, welches die Anklage erhoben hat, unmöglich ist, so könnte 
man hieraus den Schluß ziehen, daß die Begnadigung eines wegen 
seiner Amtshandlungen verurteilten Ministers überhaupt unzulässig 
sei. Dem steht jedoch entgegen, daß der Gesetzgeber selbst die Be- 
guadigung unter gewissen Voraussetzungen zulassen wollte. Können 
diese Voraussetzungen jetzt nicht mehr erfüllt werden, so ist im 
Zweisel für den Angeklagten zu entscheiden und anzunehmen, daß 
das königliche Begnadigungsrechl auch zugunsten eines verurteilten 
Ministers keinerlei Beschränkung mehr unterliegt. Es entspricht dieses 
Verhältnis auch allein der Rechtslogik. Ist für die Minister ledig- 
lich das gemeine Strafrecht maßgebend, so müssen auch die Voraus-
	        
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