Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

827 Entwicklung des Thronfolgerechtes. 165 
dem gemeinen Rechte abweichende Erbfolge bestimmt werden. Das 
Naturgemäße war es, daß von mehreren Söhnen der älteste folgte. 
Das Recht der Erstgeburt geht daher mit der Unteilbarkeit Hand in 
Hand. Schwieriger war die Regelung der weiteren Erbfolge, wenn 
keine Söhne vorhanden waren. Nach dem Vorbilde der französischen 
Lehnserbfolge gewann hier allmählich die Primogenitur die Oberhand 
über die Gradualerbfolge mit Vorzug des Aeltestens). Die Frauen 
hatten von jeher kein Erbrecht in Lehen. Die Hausgesetze, erlassen 
zur Erhaltung des Glanzes der Familien, schlossen sie daher um 
so eher von der Erbfolge aus, als durch sie das Land an andere 
Familien hätte fallen können, während noch Mitglieder des eigenen 
oder verwandter Häuser vorhanden waren. Der Mannesstamm hat 
deshalb nach allen Hausgesetzen einen unbedingten Vorzug, der ent— 
fernteste Vetter schließt die Tochter des verstorbenen Landesherren und 
deren Nachkommen aus. Nur einige Hausgesetze gewähren der Tochter 
ein Erbrecht, wenn gar keine männlichen Mitglieder des Hauses mehr 
vorhanden sind. Trotzdem an der rechtlichen Zulässigkeit der Aus— 
schließung der Töchter nicht zu zweifeln ist, besteht in einzelnen 
Häusern, u. a. dem preußischen Königshause, seit alters her die Sitte, 
daß die Töchter bei ihrer Heirat auf jedes Erbrecht ausdrücklich ver- 
zichten. Aus der Unteilbarkeit des Gebietes entwickelt sich daher ge- 
meinrechtlich der zweite Grundsatz über die Staatserbfolge, der der 
Thronfolgeordnung nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen 
Linealfolge. 
Diese Grundsätze bezogen sich aber nur auf die Nachfolge beim 
Tode des bisherigen Herrschers, sie konnten daher mit Leichtigkeit 
umgangen werden durch eine Veräußerung unter Lebenden. Auch 
abgesehen davon war im Mittelalter der Handel mit Land und Leuten 
zur Rettung aus angenblicklichen Geldverlegenheiten nicht ungewöhn- 
lich, wurde er doch von August dem Starken zur Gewinnung von 
Geldmitteln für die Bestechung polnischer Magnaten noch bis ins 
18. Jahrhundert hinein betrieben. Zur Erhaltung des Glanzes der 
Familie war das Verbot der Unveräußerlichkeit des Staatsgebietes 
ebenso notwendig wie das der Unteilbarkeit. Beide Verbote gehen 
daher nebeneinander her. Schon die Achillea verbot Veräußerungen 
des durch Erbfolge überkommenen Landes. Nur was jemand selbst 
— 
3) Vgll. H. Schulzc, NRecht der Erstgeburt, S. 355 ff.
	        
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