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diesem monarchischen Prinzipe gerät aber die kurze Dauer des mensch—
lichen Lebens in Widerspruch. Zwar sind auch die Staaten nicht un—
sterblich. Ihre Lebensdauer bemißt sich aber nach Jahrhunderten,
während die der Menschen höchstens nach Jahrzehnten zählt. Es
hieße nun jeden Rechtszusammenhang und jede Rechtssicherheit in
Frage stellen, wollte man aus dem Aufgehen des Staates im Herr—
scher die Folgerung ziehen, daß mit dem Tode des Herrschers der
bestehende Staat aufhört. Es muß also ein Mittel gefunden werden,
das Königtum und damit den Staat unabhängig zu machen von der
beschränkten Dauer des menschlichen Lebens. Dies geschieht durch die
Thronfolge. Sie trifft Vorsorge dafür, daß sofort mit dem Tode des
Herrschers der neue Herrscher an seine Stelle tritt. Somit gibt es
keinen Augenblick, in dem Land und Volk ohne Herrscher wären.
Die alte französische Monarchie hatte dafür die treffende Rechtsparömie:
„Le roi est mort, vive le roi!“ Die natürliche Person des Königs ist
sterblich gleich anderen Menschen, der König als staatsrechtliche Per-
sönlichkeit verfällt der menschlichen Sterblichkeit nicht, er lebt und
stirbt nuur mit dem Staate. Der neue Herrscher als solcher ist daher
keine neue Persönlichkeit, er setzt nur die seines Vorgängers, die
Staatspersönlichkeit, fort.
Die Thronfolge würde aber die dem monarchischen Prinzipe ent-
sprechende originäre, d. h. von keinem anderen menschlichen Willen
abhängige Herrschaft nicht begründen, wenn das Recht des einzelnen
Menschen auf die Herrschaft aus einer anderen Willensäußerung sich
ergäbe als aus dem Gesetze. Die Wahlmonarchie ist deshalb mit
dem monarchischen Prinzipe unvereinbar oder besser, da die Begriffe
sich aus den tatsächlichen Lebenserscheinungen ableiten: da, wo Wahl-
monarchie besteht, ist das monarchische Prinzip nicht vorhanden. Der
Staatswille, der als Gesetz ausgesprochen wird, ist nichts anderes als
der in den vorgeschriebenen Formen und unter den vorgeschriebenen
Voraussetzungen ausgesprochene Wille des Herrschers und somit der
eigene Wille des neuen Königs, wenn er zur Regierung gelangt. Das
Gesetz allein, ohne Zuhilfenahme anderer Willensäußerungen, kann
aber die Thronfolge nur bestimmen, wenn sie die Gründe, auf denen
das Thronfolgerecht beruht, dem Zufalle zur Regelung überläßt. Die
geeignetste Form hierfür und zugleich diejenige, welche an eine tausend-
jährige geschichtliche Entwicklung anknüpft, ist die Geburt. Es pflanzt
sich die Thronfolge fort in gesetzlich bestimmter Reihenfolge unter