E Rechtliches Wesen der Thronfolge. 169
den Mitgliedern einer Familie. Die Thronfolge in einem monarchi-
schen Staate ist daher die einem einzelnen Menschen nach Geburts-
recht zustehende Befugnis, die Staatspersönlichkeit des verstorbenen
Herrschers fortzusetzen.
Bei dieser staatsrechtlichen Auffassung der Thronfolge erledigen
sich eine Reihe von Streitfragen von selbst, die bei der früheren
privatrechtlichen Anschanungsweise vom Thronfolgerechte weitläufige
Erörterungen bedurften und eine umfangreiche Literatur zutage ge-
fördert haben. Zunächst beantwortet sich aus dem juristischen Charakter
der Thronfolge in der einfachsten Weise die Frage nach der Haftung
des Herrschers aus den Regierungshandlungen seiner Vorgänger:).
Zu unterscheiden sind hier zwei Fälle, einmal die Haftung des Herr-
schers aus den Rechtshandlungen seines gesetzmäßigen Vorgängers in
der Regierung und zweitens die Haftung des zurückkehrenden gesetz-
mäßigen Herrschers aus Handlungen der nach dem Bruche der alten
Rechtsordnung in der Zwischenzeit bestandenen Regierung.
In dem ersten Falle konnte die Frage nur zweifelhaft sein, so
lange noch privatrechtliche Gesichtspunkte bei Bestimmung des recht-
lichen Wesens der Thronfolge hineinspielten. Sieht man in der Thron-
2) Von der umfangreichen Literatur über die Frage mögen hier
erwähnt werden: Klüber § 252; Zachariä 8 76; Zöpfl 88266;
Gerber 8 92; H. Schulze, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 250;
v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 229 ff.; H. Schulze, Pr.
St.-R., Bd. 1, S. 201 ff.; v. Kamptz, Erörterung der Verbindlichkeit
des weltlichen Reichsfürsten aus den Handlungen seines Vorfahren, Neu-
Strelitz 1800; Pfeiffer, Inwiefern sind Regierungshandlungen eines
Zwischenherrschers für den rechtmäßigen Regenten verbindlich? 1818;
Jacobsen, Denukschrift, die Staatsschuld des ehemaligen Königreiches
Westfalen betreffend, Berlin 1852; H. A. Zachariä, Ueber die Ver-
pflichtung restaurierter Regierungen aus den Handlungen einer Zwischen-
herrschaft in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 9,
S. 84; Brie,. Die Legitimation einer usurpierten Staatsgewalt, Abt. 1,
Heidelberg 1866; Friedrich Brockhaus, Das Legitimitätsprinzip,
Leipzig 1868. Zur Erörterung kam die Frage vorzugsweise, als einige
deutsche Regierungen, wie die kurhessische und hannöversche, sich weigerten,
die in den Jahren 1807—1814 von der königlich westfälischen Re-
gierung eingegangenen Verpflichtungen als für sich verbindlich anzu-
erkennen, sowie bei Aufhebung der hannöverschen Verfassungsurkunde vom
26. September 1833 durch Patent des neuen Königs Ernst August
vom 1. November 1837.