g 28 Rechtliches Wesen der Thronfolge. 171
nachlaß und in die Landeshoheit sich seit Erlaß der Primogenitur=
ordnungen nach verschiedenen Grundsätzen richtete, besonderer Normen
über die Scheidung beider Bestandteile der fürstlichen Verlassenschaft.
Die reichsstaatsrechtliche Literatur wandte unter Berücksichtigung der
Tatsache, daß die Gebiete meist Lehen des Reiches waren, die Grund-
sätze des langobardischen Leheurechtes über die Sonderung des Lehens
vom Allode an. In Preusßen ist jedoch bereits seit dem Regierungs-
antritte Friedrich Wilhelms I. die strengste Sonderung zwischen Staats-
eigentum und Privateigentum des Königs, dessen staatsrechtlicher und
privatrechtlicher Persönlichkeit erfolgt. Es ist nirgends mehr ein recht-
licher Zweifel, ob ein Gegenstand Eigentum des Staates oder des
Königs als Privatperson ist, höchstens in tatsächlicher Beziehung
könnten Unklarheiten entstehen, während in den deutschen Kleinstaaten
die Domänen bis in die neueste Zeit einen Zankapfel zwischen der
fürstlichen Familie und den Landständen bildeten. Auch als die privat-
rechtliche Anschauung von der Staatssukzession noch vorherrschte, be-
durfte es daher in Preußen keiner Grundsätze über die Sonderung
der sogenannten Staatsverlassenschaft von der Privatverlassenschaft des
Fürsten, da beide rechtlich gesondert waren. Der Verschiedenheit des
Gegenstandes entspricht jetzt aber auch die Verschiedenheit der Suk-
zessionsform, die staatsrechtliche Thronfolge und die privatrechtliche
Erbfolge. Die vielbestrittene Frage nach den Grundsätzen über Son-
derung von Staats= und Privatverlassenschaft kann deshalb, wenn
auch leider noch nicht für das deutsche Staatsrecht überhaupt, so
doch wenigstens für das preußische Staatsrecht als gegenstandlos au-
gesehen werden.
Die Regelung der Thronfolge ist Gegenstand der staatlichen Ge-
setzgebung, insbesondere des Verfassungsgesetzes. Denn der rechtlich
unbeschränkte und unbeschränkbare Staat kann in seinem Gebiete
rechtlich alles regeln und als Quelle der Rechtsordnung auch aus
ihr abgeleitete wohlerworbene Rechte vernichten. Es bedarf daher ins-
besondere zur Aenderung des Thronfolgerechtes nicht der Zustimmung
der Agnaten des königlichen Hauses.
Geleugnet hat man diese Berechtigung der Staatsgewalt vom
Standpunkte des göttlichen Rechtes der Monarchiet). Das ist ein
40 Die beste deutsche Vertretung des Standpunktes bei Stahl,
Philosophic des Rechts, 5. Aufl., Tübingen und Leipzig 1878, Bd. 2,
Abt. 2, S. 238 ff.