g us Der Regierungsantritt. 191
rechtsunwirksam. Bei neuen Erbverbrüderungen oder Testamenten
würden nicht diese, sondern die auf Grund ihrer zu erlassenden
Verfassungsgesetze den Rechtstitel für die Thronfolge bilden. Gesetze,
die noch nicht erlassen sind, sondern erst in Zukunft vielleicht erlassen
werden könnten, bilden aber keinen Gegenstand des positiven Staats-
rechtes. Man muß demnach zu dem Ergebnisse gelangen, daß nach
preußischem Staatsrechte eine außerordentliche Thronfolge überhaupt
nicht besteht, sondern nur die in Art. 53 der Verfassungsurkunde
vorgesehene ordentliche Thronfolge.
8 32. Der Regierungsantrittt).
Aus dem Wesen der monarchischen Thronfolge als der Fortsetzung
der Staatspersönlichkeit des verstorbenen Herrschers ergibt sich, daß
das Land keinen Augenblick ohne Herrscher sein kann. Der Ueber-
gang der Herrschaft von dem verstorbenen Herrscher auf den Nächst-
berechtigten vollzieht sich daher ohne jede weitere Handlung von
Rechts wegen mit dem Augenblicke des Todes. Der Nächstberechtigte
ist mit diesem Augenblicke Herrscher, auch wenn er es gar nicht sein
will. Es muß ihm überlassen bleiben, auf die Herrschaft zu verzichten.
Der Verzicht würde aber keine rückwirkende Kraft haben, sondern erst
mit dem Zeitpunkte der Abdankung in Wirksamkeit treten.
Wenn nun auch rechtlich die Krone ohne jede weitere Willens-
erklärung übergeht, so sind doch gewisse Handlungen üblich, welche
darlegen sollen, daß der neue Herrscher seine Herrschaft auch tatsäch-
lich übernommen hat. Die tatsächliche Uebernahme der Herrschaft,
welche in der Regel bald nach dem rechtlichen Anfalle der Krone ein-
treten wird, den Beginn der Ausübung des Herrscherrechtes, nennt
man den Regierungsantritt, und dieser wird durch eine Reihe äußerer
Handlungen bezeichnet, von denen die eine in der Verfassungsurkunde
vorgeschrieben, die übrigen bloß herkömmlich sind.
Art. 54 Abs. 2 der Verfassungsurkunde ersordert, daß der König
in Gegenwart der vereinigten Häuser des Landtages das eidliche
Gelöbnis leistet, die Verfassung des Königreiches fest und unverbrüch-
1) Vgl. Klüber 8§ 246; Zachariä 856; Zöpfl 8 265;
Gerber 89 31; H. Schulze, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 244;
v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 225 ff.; H. Schulze, Pr.
St.-N., Bd. 1, S. 190 ff.