1—
194 Das Verfassungsrecht. 8
des Art. 54 Abs. 2 der Verfassungsurkunde, welcher die Eidesleistung
des Königs anordnet, als eine rein instruktionelle Vorschrift zu be-
trachten.
An Stelle der Eidesleistung hat König Friedrich III. unter Vor-
behalt der späteren Leistung mittels einer den vereinigten Häusern
des Landtages am 19. März 1888 mitgeteilten Allerhöchsten Bot-
schaft vom 17. März 1888 die Beobachtung der Versassung und
Gesetze gelobt.
Herkömmlich ist es serner, daß der König den Regierungsantritt
durch eine Prollamation seinen Unterlauen kundtuti). Irgend welche
rechtliche Bedentung ist auch einer solchen Proklamation nicht bei
zumessen. Wenn auch üblich, ist sie doch keineswegs eine nolwendige
Handlung.
In dem sländischen Patrimonialstaate, der dem Verhältnisse des
Herrschers zu den Untertanen den Charakter eines zweiseitigen Ver-
tragoverhällnisses beilegte, war es üblich, daß beim Regierungsantritte
jeder Teil seine Verpflichlungen eidlich bekrästigte. Der Landesherr
bestätigte eidlich die Landesfreiheiten, d. h. die ständischen Rechte,
wogegen ihm die Untertanen die Erbhuldigung leisteten. Beide Eide
standen als Bekräftigung der wechselseiligen Verpflichtungen in un-
mitlelbarer Verbindung miteinanders). Mit dem Uebergange in die
konstitutionelle Staatssorm ist die eidliche Bestäligung der Landes-
freiheiten hinfällig geworden, und an ihre Stelle der Verfassungseid
des Königs gelreten. Da aber beide Eide in wechselseitiger Verbin-
7) Vgl. die Proklamation König Wilhelms I. „An mein Volk“ im
Staatsanzeiger vom 7. Jannar 1861, sowie diejenige König Friedrichs Ill.
„An mein Volk“ vom 12. März 1888, wönig Wilhelms II. vom 18. Juni
1888 im Staatsanzeiger von demselben Tage. Ministerielle Gegengeich
mung solcher Erlasse ist nicht üblich.
83) J. J. Moser, Von der Reichsstände Landen, S. 1172: „Kann
man von irgend etwas im deutschen Staatsrechte sagen, daß es Reichs-
herkommen seye, so ist es dieses: daß alle Landesherreun bei Einnahm
der Landes= oder Erbhuldigung ihrer Lande, Landstände und Unter-“
thanen Freiheiten zu bestätigen pflegen, ja bestätigen müssen, so dass
die Huldigung und diese Bestätigung zwei ordentliche Correlata und
unzertrennliche Stücke seynd.“ Die letzte Erbhuldigung sand in Preußen
beim Regierungsantritte Friedrich Wilhelms IV. 18“40 statt in Königsberg
für Preussen und Posen, in Berlin für die zum Deutschen Bunde ge-
hörigen Provinzen.