Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

934 Fälle der Regentschaft. 201 
Aus den Erörterungen über das Thronfolgerecht ergab sich 
bereits, daß die Krone jemandem zufallen oder verbleiben kann, der 
körperlich oder geistig unfähig ist, die Regierung selbst zu führen. 
In diesen Fällen muß notwendig eine Trennung des Herrscherrechtes 
von der Auslibung der Herrschaft eintreten. Art. 56 der Verfassungs- 
urkunde bezeichnet als solche Fälle die Minderjährigkeit des Königs 
oder dessen sonstige dauernde Verhinderung, selbst zu regieren. Den 
Grund für die Entziehung der Ausübung der Herrschaft und die 
Einsetzung einer Regentschaft bildet also jede dauernde Regierungs- 
verhinderung des Königs. Als besonderer Fall einer solchen Ver- 
hinderung wird hervorgehoben die Minderjährigkeit des Königs. 
Die Minderjährigkeit des Königs, der an sich wichtigste und 
häufigste Grund für die Einsetzung einer Regentschaft, ist in der 
bisherigen preußischen Geschichte noch nicht vorgekommen. Die Goldene 
Bulle, Kap. VII 8 4, hatte bereits für die Kurfürsten den Groß- 
jährigkeitstermin auf das 18. Lebensjahr festgestellt. In Ueberein- 
stimmung damit befand sich die Hohenzollernsche Hausverfassung, welche 
die staatsrechtliche wie privatrechtliche Großjährigkeit aller Mitglieder 
des königlichen Hauses mit dem vollendeten 18. Lebensjahre eintreten 
ließt). Für den König ist nunmehr auch verfassungsmäßig bestimmt, 
daß seine Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. 
Fällt die Krone einem minderjährigen Könige zu, so gehen sofort mit 
dem Tode des vorigen Königs Herrscherrecht und Ausübung der Herr- 
schaft auf verschiedene Personen über. Die Regentschaft nimmt also 
ihren Anfang nicht während der Regierungszeit des Herrschers, sondern 
gleichzeitig mit deren Beginn und dauert so lange wie die Minder- 
jährigkeit des Herrschers. 
Außer der Minderjährigkeit wird als Grund für die Regent- 
schaft angeführt die sonstige dauernde Regierungsunfähigkeit des 
S. 489 ff.; Freund, Die Regentschaft nach preußischen Staatsrecht 
(laus Brie und Fleischmann, Abhandlungen Heft 6), Breslau 1903. 
Die ältene Literatur ist wegen der Vermengung der staatsrechtlichen 
Regentschaft mit der privatrechtlichen Vormundschaft für das heutige 
Recht zum größten Teile wertlos. Insbesondere der Regentschaft in 
Preußen für Friedrich Wilhelm IV. behandeln die Aufsätze über die 
Regentschaftsfrage in Preußen in den Preuß. Jahrb., Bd. 2, S. 351 ff., 
438 ff., und Materialien zur Geschichte der Regentschaft in Preußen, 
Berlin 1859. 
1) Vgl. 8 67.
	        
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