g 36 Wesen der Regentschaft. 209
irdischen Gewalt abgeleitetes sein. Ebenso wie die Originalität zum
Wesen der staatlichen Herrschaft, gehört aber die Ableitung des
Regierungsrechtes zu dem der Regentschaft. Der Regent leitet sein
Recht auf Ausübung jeder einzelnen Regierungshandlung von dem
Rechte des Herrschers her. Damit ist aber nicht ausgedrückt, in
welcher Weise die Bestellung des Regenten erfolgen muß. Die Person
des Regenten kann unmittelbar durch das Gesetz bezeichnet sein wie
die des Königs. Maßgebend ist in diesem Falle allein der Staats-
wille, der mit dem Eintritte des Regenten dessen eigener Wille als
Staatspersönlichkeit ist. Das Recht auf die Regentschaft ist dann ein
ebenso ursprüngliches wie das auf die Krone, es ist von keiner anderen
irdischen Gewalt abhängig. Die Regentschaft zeigt sich dann in der
Tat als eine unvollkommene Art der Thronfolge. Nur die Aus-
Üübung der Herrschaft wird abgeleitet aus dem Rechte des Königs.
Der Regent kann aber auch durch Staatsorgane, z. B. durch Wahl
des Landtages, bestellt werden. Dann leitet sich das Recht auf die
Regentschaft aus der Wahl des Landtages, das Recht auf Ausübung
jeder einzelnen Regierungshandlung aus dem Herrscherrechte des Königs
her. Da das Wesen der Regentschaft lediglich in der Ausübung
fremder Herrscherrechte besteht, so ist die Art und Weise der Bestellung
des Regenten für den Begriff der Regentschaft gleichgültign). Die
Bestellung ist nicht aus diesem Begriffe, sondern einzig und allein
aus dem positiven Rechte zu entwickeln.
Während die belgische Verfassung Art. 82 und 83 durch das
Gesetz nur die vorläufige Regentschaft der Minister regelt, den
Regenten endgültig aber durch die Kammern bestellen läßt, hat die
preußische Verfassungsurkunde Art. 56 ff. ein gemischtes System ein-
geschlagen. Die Regel bildet nach ihr das originäre, auf dem Gesetze
beruhende Regentschaftsrecht des nächsten Agnaten. Nur in Ermang-
lung eines solchen tritt wie nach der belgischen Verfassung die vor-
läusige Regentschaft des Staatsministeriums und die endgültige Wahl
des Regenten durch den Landtag ein. Schon aus dieser Vereinigung
der verschiedenen Systeme ergibt sich, daß weder die Art der Bestellung
11) Unzutreffend erscheint es daher, wenn v. Kirchenheim, NRe-
gentschaft, S. 73, die Wahl des Regenten durch das Volk oder die
Volksvertretung aus dem Prinzipe der Volksouveränetät herleiten will.
Eine gewisse Verwandtschaft beider Einrichtungen soll damit nicht ge-
eugnet werden.
Bornbah, preußisches Staaterecht. I. 2. Zull. 14