214 Das Verfassungsrecht. ß 36
sprochen. Der Beschluß über die Notwendigkeit der Regentschaft führt
also einen Wechsel in der Person des Regenten herbei.
Welche Bedeutung hat nun der Beschluß des Landtages, begründet
er die Regentschaft oder erkennt er sie an? Im Falle der Regie-
rungsunfähigkeit des Königs soll nach Art. 56 der Verfassungsurkunde
der nächste Aguat die Regentschaft übernehmen und den Landlag
berufen. Schon daraus, daß in der Worlfolge die Uebernahme der
Regentschaft der Berufung und demnächstigen Entscheidung des Land-
lages vorangeht, ergibt sich, daß die Uebernahme der Regentschaft
nicht abhängig ist von dem Landtagsbeschlusse. Bei der vorlänsigen
Regentschaft des Slaatsministeriums wird sogar bis zum Eintritte
des gewählten Regenten dem Staatsministerium die Regierung über-
lragen. Wenn auch das Wort „Negentschaft“ für diese bloß vor-
länsige Regierung vermieden ist, so ist doch der Umfang der Be-
fugnisse des Staatsministeriums mit der einen obengedachten Ausnahme
derselbe wie der des Regenten. Also auch die Regententätigleit des
Staatsministeriums ist unabhängig von der Beschlußsassung des Land-
lages. Dazu kommt, daß die Berufung des Landtages selbst schon
eine Handlung der Regierungstätigkeit ist, die nur dem Herrscher oder
seinem Vertreter zustehen kann. Indem der nächste Agnat bzw. das
Staatsministerium den Landlag zur Entscheidung über die Nolwendig-
keit der Negentschaft berufen, handeln beide bereits als Regent. Er-
achtel der berusene Landtlag eine Negentschaft für notwendig, so er-
lennt er damit nur die bereits bestehende Regentschaft an, aber er
begründet sie nicht.
In Ulebereinstimmung mit Wort und Sinn der Verfassungs-
urkunde erklärte daher der Prinz von Preußen in dem Allerhöchsten
Erlasse vom 9. Oktober 18586), daß er infolge der Aufsorderung des
Königs und auf Grund des Art. 56 der Verfassungsurkunde als
nächster Agnat die Regentschaft übernehme. An demselben Tage er-
ging eine Verordnung"), welche den Landtag zu einer außerordent-
lichen Sitzung auf den 20. Oktober nach Berlin berief.
Es fragt sich nun aber andererseits, welche Bedentung ein Be-
schluß des Landtages hat, der die Notwendigkeit der Regentschaft
nicht anerkennt. Der Regentschaft ist damit ihre Berechtigung ent-
6) G.-S. 1858, S. 638.
7) A. a. O. S. 539.