g 36 Berufung zur Regentschaft. 215
zogen. Die Regentschaft hört aber durch den Beschluß nicht von selbst
auf, da das Publikum von den Landtagsverhandlungen keine offizielle
Kenntnis erhält. Vielmehr begründet der Beschluß nur die Verpflichtung
des Regenten, die Regentschaft niederzulegen,). Zweifelhaft ist, ob
dieser Beschluß den rechtlichen Bestand der Regentschaft auch nach der
Vergangenheit hin aufhebt, als ob niemals eine Regentschaft bestanden
hätte. Diese Frage ist zu verneinen, da die Annahme der rück-
wirkenden Kraft des Landtagsbeschlusses zu einem unlöslichen inneren
Widerspruche führen würde. Wäre der Agnat bzw. das Staats-
ministerium in der Zwischenzeit nicht als Regent anzusehen, so wären
die von ihnen vorgenommenen Regierungshandlungen, zu denen auch
die Berufung des Landtages gehört, nichtig. Da ein nicht rechtsgültig
berufener Landtag aber überhaupt keine Beschlüsse mit rechllicher
Wirkung fassen kanno), so wäre auch der Beschluß des Landtages,
der die Notwendigkeit der Regentschaft verneint, nichtig. Will man
daher dem Landtage die Möglichkeit gewähren, über die Notwendigkeit
der Regentschaft auch in verneinendem Sinne Beschluß zu fassen, so
darf man die rückwirkende Kraft dieses Beschlusses nicht annehmen.
Nach dem Wortlaute der Verfassungsurkunde hat der Landtag
in allen Fällen, also auch bei Minderjährigkeit des Königs, über die
Notwendigkeit der Regentschaft zu beschließen. Man hat nun die Frage
aufgeworfen, was zu geschehen habe, wenn der Landtag in diesem
Falle die Notwendigkeit der Regentschaft nicht anerkennt, etwa weil
ihm der nächste Agnat aus politischen Gründen nicht genehm ist.
Die Ansicht, der Landtag sei zu einem solchen Beschlusse befugt, er
könne also damit eine Ausnahme von der Regel des Art. 54 der
Verfassungsurkunde, wonach der König mit dem 18. Lebensjahre voll-
jährig wird, festsetzento), widerspricht dem klaren Wortlaute und Sinne
der Verfassungsurkunde. Nach dieser ist der König bis zum voll-
endeten 18. Lebensjahre absolut regierungsunfähig. Wenn die Kammern
durch Verweigerung der Anerkennung der Regentschaft in dem ein-
—
8) Erzwingbar durch die Ministerverantwortlichkeit, indem die Mi-
nister, die sonst Hochverrat begehen würden, dem Regenten die weitere
Gegenzeichnung verweigern.
") Vgl. 8 66.
10) v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 181, N. 6; v. Kirchen-
heim, Regentsch-, S. 83. Anders v. Rönne- Zorn, Pr. St.-N.,
Bd. 1, S. 236.