218 Das Versassungsrecht. 9 36
ganze Regierungsgewalt des Königs auszuüben berechtigt ist. Aus
dem Regierungsrechte des Regenten solgt aber auch, daß er, soweit
die Verfassungsurkunde nicht etwas anderes bestimmt, Regierungs-
handlungen rechtsgüllig unter Gegenzeichnung eines eingigen Ministers
vornehmen kann. Dieser Minister ist selbstverständlich für die betref-
sende Regierungshandlung verantwortlich. Sosern nun aber auch das
bestehende gesamte Staatsministerium, d. h. die übrigen Minister vel-
antwortlich gemacht werden, läßt man sie eine Schuld büßen, die sie
gar nicht begangen haben. Man gelangt damit zu der Prügelknaben-
theorie, der widersinnigsten Begründung der Ministerverantwortlichkeil,
die es geben kanmt).
Will man dem Art. 58 Abs. 2 der Verfassungsurkunde übel-
haupt einen vernünftigen Sinn beilegen, so kann man ihn nur be-
ziehen auf den Art. 57 der Verfassungsurkunde, der von det
provisorischen Regentschaft des Staatsministeriums handelt. Eine Vel-
antwortlichleit kann man dem gesamten Slaatsministerium nur auf-
erlegen, wo das gesamte Staatsministerium auch wirklich tätig ist.
Das ist der Fall, wenn das gesamte Staatsministerium die provi—
sorische Regentschaft führt. Wenn auch nach Einrichtung der genl:
schaft bis zur Eidesleistuung des Regenten das gesamte Slaat““
ministerium für verantwortlich erklärt wird, so liegt darin ausge-
sprochen, daß es auch weiterhin als Gesamtheit zu handeln berechtigt
und verpflichtel ist. Das heißt mit anderen Worten: Die vorläufige
Regentschaft des Staaloministeriums bleibt bestehen, bis der gewählte
Regent den Verfassungseid geleistet hat. Mit dieser Beschränkung auf
den gewählten Regenten kommt auch die unzweifelhafte Absicht des
Gesetzgebers, die Regierungsgewalt des Regenten bis zur Eidesleistung
zu suspendieren, wieder zur Geltung. Es entspricht dies auch der
Entstehungsgeschichte der betressenden gesetzlichen Bestimmung, da in
den früheren Stadien der Gesetzgebung immer die Wahl des Regenten
durch die Kammern und die Beschräulung seines Regierungsrechles bis
zur Eidesleistung Hand in Hand gingen. Da nun aber ein bloßes
Provisorium nicht fortgesetzt andauern kann, so würde in der Eides“
verweigerung des gewählten Regenten allerdings ein Verzicht. auf
die Regentschaft zu sehen sein, der die Neuwahl eines Regenten notk-
wendig machte.
14) Vgl. 8 23.