Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

288 Das Verfassungsrecht. § 10 
8 40. Nechtsverhältnisse des Stnatsgebietes. 
Für die wesentlich privatrechtliche Auffassung des Patrimonial= 
staates war das Staatsgebiet privatrechtliches Obereigentum des Landes- 
herren. In Kolonialgebieten wie der Mark war man sogar bemüht, 
dieses Obereigentum praktisch durchzuführen, indem man allen Grund 
und Boden nach Lehenrecht oder Erbzinsrecht in privatrechtliche Ab- 
hängigkeit vom Landesherren brachte. Mit dem Patrimonialstaate ist 
auch diese privatrechtliche Auffassung überwunden. Die Gebietshoheit 
findet Grund und Inhalt allein im öffentlichen Rechte und kann daher 
in voller Ausschließlichkeit an demselben Grund und Boden neben 
dem eben so ausschließlichen privatrechtlichen Eigentume bestehen. 
Den Uebergang vom Patrimonialstaate zum modernen Staate be- 
zeichnet die Lehre von den staatlichen Hoheitsrechten. Danach war 
die Gebietshoheit ein besonderer Bestandteil der Staatsgewalt und 
umfaßte bestimmte einzelne Befugnisse. Diese Auffassung, die z. B. 
noch von Zöpfli) vertreten war, ist gleichfalls mit dem Wesen der all- 
beherrschenden modernen Staatsgewalt unvereinbar und kann als über- 
wunden gelten. 
Der Begründer der modernen Auffassung vom Staatsgebiete ist 
Gerber2s). Das Staatsgebiet ist ihm das sachliche Objekt der Staats- 
herrschaft, der Inhalt des Rechtes besteht aber allein darin, daß 
der Staat auf ihm Staat sein darf. Die Gebietshoheit läßt sich 
nicht mit einem eigentümlichen materiellen Inhalte ausstatten. 
Den Gegensatz zu Gerber bildet Frickerk). Ihm ist das Gebiet 
ein Moment im Wesen des Staates, der Staat selbst in seiner räum- 
lichen Ausdehnung, also nicht ein Objekt der Staatsherrschaft. 
Der Gegensatz ist aber kein unüberbrückbarer. Denn für beide 
ist das Gebiet etwas dem Staat Wesentliches, eine mit einzelnen 
Befugnissen ausgestattete Gebietshoheit ausgeschlossen. Entscheidend 
ist, daß der Staat sein Gebiet unabhängig von seinen Angehörigen 
beherrscht. 
Inhalt der Gebietshoheit ist allerdings die örtliche Ausdehnung 
der Wirkung der Staatsgewalt. Aber deshalb ist das staatsrechtliche 
1) Zöpfl, St.-R., Bd. 2, 8 443. 
2) Gerber, Grundzüge 8§8 22, ebenuso Laband, Heilborn, 
Nadnittzky (Gebietshoheit = örtliche Kompetenz). 
3) Vgl. Lit. Ang. an der Spitze des Kapitels, wie Fricker 
namentlich G. Meyer.
	        
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